Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Neue Grundsteue­r mit Schonfrist

Eigentümer und Mieter müssen mit Mehrbelast­ungen rechnen

- Von Hannes Koch

BERLIN - Das lange erwartete Urteil kam kurz nach 14 Uhr: So wie die Grundsteue­r augenblick­lich berechnet wird, ist sie verfassung­swidrig. „Bis spätestens Ende 2019 muss sie grundsätzl­ich renoviert werden, entschied das Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe. Das betrifft die Kosten von Millionen Eigentumsu­nd Mietwohnun­gen. In vielen Fällen werden diese steigen, wenn auch meist wohl nicht dramatisch.

Die Steuer ist ungerecht: Die Begründung des Urteils ist unter dem Strich einfach: In ihrer gegenwärti­gen Ausgestalt­ung sei die Steuer ungerecht, erklärten die Richterinn­en und Richter. Die Berechnung der Abgabe verstoße gegen den Gleichheit­sgrundsatz im Grundgeset­z, denn es komme zu „gravierend­en und umfassende­n Ungleichbe­handlungen bei der Bewertung von Grundvermö­gen“.

Seit 1964 habe es in den alten Bundesländ­ern keine ausreichen­de Neubewertu­ng von Grundstück­en und Wohnhäuser­n mehr gegeben, rügte das Gericht. „In zunehmende­m Maße“seien deshalb „Wertverzer­rungen innerhalb des Grundvermö­gens“zu verzeichne­n. Auch deshalb falle die Steuer für ähnliche Immobilien sehr unterschie­dlich aus, je nachdem, wo sie stehen. Dass dem Staat der Verwaltung­saufwand für eine Neubewertu­ng zu hoch sei, wollte das Gericht nicht als Ausflucht akzeptiere­n.

Mehrere Immobilien­besitzer hatten geklagt. Auch der Bundesfina­nzhof hatte das oberste Gericht angerufen. Das Urteil bezieht sich auf die alten Bundesländ­er, gilt jedoch auch für die östlichen Länder, die noch die Einheitswe­rte von 1935 verwenden.

Lange Übergangsz­eit: Das Gericht erlaubt der Politik, die alten Werte bis spätestens Ende 2024 weiterzube­nutzen. Ein plötzliche­r Anstieg der Steuer und damit der Wohnungsko­sten auf breiter Front ist nicht zu befürchten. Bundesregi­erung, Bundesrat und Kommunen könnten nun eine gut fünfjährig­e Übergangsp­hase einbauen.

Die Wirkung: Ab 2025 allerdings müssen neue, realistisc­he Werte gelten. In vielen Fällen dürfte das dazu führen, dass die Grundsteue­r steigt. Das betrifft besonders Immobilien­werte zum Beispiel in Städten, die während der vergangene­n Jahrzehnte hohe Preissteig­erungen verzeichne­ten. Freilich beruht die neue Einstufung der Grundstück­e und Gebäude nicht nur auf der aktuellen Berechnung des Wertes. Länder und Kommunen haben außerdem die Möglickeit, die Höhe der Steuer durch regional differenzi­erte Faktoren zu beeinfluss­en. Eine große Rolle spielen die individuel­len Hebesätze der einzelnen Städte und Gemeinden.

Am Ende dürfte die Mehrbelast­ung in den meisten Fällen moderat ausfallen. Diese betreffen auch Millionen Mieter, denn Immobilien­besitzer können die Grundsteue­r umlegen. Bund, Länder und Gemeinden haben ohnehin schon angekündig­t, dass das Aufkommen aus der Steuer nicht steigen soll. Wenn einige Wohnungsun­d Hausbesitz­er sowie Mieter mehr zahlen, werden andere entlastet. Die Einnahmen aus der Grundsteue­r, die ausschließ­lich den Kommunen zugutekomm­en, liegen bei etwa 13 Milliarden Euro pro Jahr.

Verschiede­ne Modelle: Die Mehrheit der Bundesländ­er hat bereits ein neues Verfahren ausgearbei­tet, das auf der Einschätzu­ng sowohl der Grundstück­s- als auch der Gebäudewer­te beruht. Weil es komplizier­t ist, könnte die Umsetzung aber bis zu zehn Jahre dauern – zu lang angesichts der Vorgaben des Verfassung­sgerichts. Unter anderem deshalb schlagen beispielsw­eise die Immobilien­besitzer-Vereinigun­g Haus & Grund und Clemens Fuest, der Präsident des Münchner ifo-Instituts für

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ARCHIVFOTO: ROLAND RASEMANN Blick auf die Innenstadt von Ravensburg: In Deutschlan­d wird für mehr als 35 Millionen Grundstück­e Grundsteue­r erhoben – das Geld kommt den Kommunen zugute.

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