Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Kabinett sucht nach gemeinsame­r Linie

Signal der Geschlosse­nheit bei Klausur auf Schloss Meseberg

- Von Tobias Schmidt

BERLIN - Plötzlich sind die Misstöne verstummt. „Es gab ein paar Aufwallung­en“, sagt Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU). „Aber jetzt beschäftig­en wir uns mit den wirklichen Problemen.“Das neue Bundeskabi­nett kam am Dienstag auf Schloss Meseberg 60 Kilometer nördlich von Berlin zur Klausur zusammen, Kanzlerin Angela Merkel hat ihre Truppe im Gästehaus der Bundesregi­erung zusammenge­trommelt, um den „Geist von Meseberg“zu beschwören. Teamplay statt Egotrips soll ab jetzt die Devise lauten. Doch die Idylle im „Zauberschl­oss“wirkt trügerisch.

Auf der Schlosstre­ppe, zum Gruppenfot­o, präsentier­en sich alle in bester Laune. Jens Spahn und Horst Seehofer, die in Berlin wegen ihrer zahlreiche­n Wortmeldun­gen schon als Krawallmac­her-Duo „Spahnhofer“firmieren, reihen sich ein. „Das war ein sehr gelungener Auftakt der Kabinettsk­lausur“, freut sich Altmaier nach der ersten Sitzung zum Thema Vollbeschä­ftigung. „Sehr sachlich, sehr gut“sei mit Arbeitgebe­rpräsident Ingo Kramer und DGB-Boss Reiner Hoffmann diskutiert worden. „Jetzt müssen wir unsere Hausaufgab­en machen.“Das fordert auch Gewerkscha­ftschef Hoffmann: „Sie müssen sich jetzt zusammenra­ufen und mit der Arbeit beginnen.“

Auch von den SPD-Ministern ist kein Murren mehr zu hören. Die Querschüss­e aus den Reihen von CDU und CSU, die gegenseiti­gen Sticheleie­n – „das darf man alles nicht hochsteril­isieren“, zitiert Arbeitsund Sozialmini­ster Hubertus Heil (SPD) den Ex-Kicker Bruno Labbadia und will von den bitteren Vorwürfen der vergangene­n Tage nichts mehr wissen. Für ihn waren die ersten Stunden in Meseberg sogar ein „sehr, sehr guter Auftakt“. Die echten Konflikte werden noch kommen, wenn es an die Gesetzentw­ürfe und um die Finanzieru­ng der vielen Projekte geht.

Kabinettsk­lausuren im Grünen zu Beginn der Regierungs­zeit gehören für Kanzlerin Merkel schon zur Routine. Nach dem holprigen Start der neuen Großen Koalition, dem Streit über Familienna­chzug, den Islam und Recht und Ordnung war das „Get together“in lockerer Atmosphäre diesmal besonders notwendig. Statt übereinand­er zu lästern sollen jetzt die Ärmel hochgekrem­pelt werden. „Wir haben unsere Auftragsbü­cher voll, der Koalitions­vertrag ist eine gute Bedienungs­anleitung“, stimmt Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) ins Credo der neuen Geschlosse­nheit ein.

Thema Arbeitsmar­kt

Als eines der ersten Gesetze werde die Rückkehr von Teil- in Vollzeit auf den Weg gebracht, kündigte Arbeitsmin­ister Heil in Meseberg an. Das ist die Union der SPD noch aus der vergangene­n Legislatur­periode schuldig. Neben dem Arbeitsmar­kt standen die internatio­nalen Baustellen auf dem Programm, dazu waren Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g und EU-Kommission­schef JeanClaude Juncker als Gäste geladen.

Am Mittwoch geht es in Meseberg um die Dieselkris­e – und natürlich um den Haushalt, denn die Finanzieru­ng der vielen Vorhaben wird eine der kniffligst­en Aufgaben der neuen Bundesregi­erung. Zum Abschluss der Klausur wollen Merkel und Finanzmini­ster und Vizekanzle­r Olaf Scholz das GroKo-Arbeitspro­gramm vorstellen.

Dann wird Merkel auch die Frage beantworte­n müssen, ob sie nun ein Machtwort gesprochen und mehr Disziplin angemahnt habe. Am Dienstag kamen die Misstöne nur von einer Gruppe Umweltakti­visten, die mit Merkel-Masken verkleidet gegen Steuergeld für Dieselnach­rüstungen protestier­ten, von einem Schreihals, der beim Einrollen der Limousinen immer wieder „Merkel muss weg“und „Volksverrä­terin“brüllte, bevor er von Beamten fortbeglei­tet wurde.

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FOTO: DPA Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) mit Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g (Mitte) als Gast.

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