Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Dashcams auf dem juristisch­en Prüfstand

BGH urteilt am 15. Mai über die Verwertbar­keit von Videoaufna­hmen im Straßenver­kehr

- Von Susanne Kupke

KARLSRUHE/MAGDEBURG (dpa) Sie filmen den rücksichts­losen Raser oder zeichnen den Unfall auf: Manche Autofahrer haben eine Dashcam, eine Kamera auf dem Armaturenb­rett oder der Windschutz­scheibe, an Bord. Ob die Aufnahmen aber als Beweis verwertet werden dürfen, ist umstritten. Seit Dienstag beschäftig­t sich mit der Frage nun der Bundesgeri­chtshof (BGH) (Aktenzeich­en: VI ZR 233/17). Das Urteil am 15. Mai wird mit Spannung erwartet.

Um was geht es vor dem BGH?

Ein Mann aus Sachsen-Anhalt pocht auf vollen Schadeners­atz nach einem Unfall. Seinen Angaben zufolge ist ein Auto beim Linksabbie­gen auf der daneben verlaufend­en Spur auf seine Fahrbahn gekommen und gegen seinen Wagen gefahren. Belegen sollen das Aufnahmen der Dashcam. Doch weder das Amts- noch das Landgerich­t Magdeburg berücksich­tigt diese. Die Argumentat­ion der Justiz: Die Aufzeichnu­ng verstoße gegen datenschut­zrechtlich­e Bestimmung­en – sie dürfe deshalb nicht als Beweis herangezog­en werden.

Wo ist das Problem?

„Das nichtanlas­sbezogene Betreiben einer Dashcam im öffentlich­en Raum ist in Deutschlan­d nicht legal“, erläutert Daniela Mielchen von der Arbeitsgem­einschaft Verkehrsre­cht des Deutschen Anwaltvere­ins (DAV). Permanente­s Filmen anderer ohne deren Einverstän­dnis verstoße gegen das Persönlich­keitsrecht, das Recht am eigenen Bild und gegen das Bundesdate­nschutzges­etz.

Was könnte die Auswertung der Aufnahmen bringen?

Oft ist die Rekonstruk­tion eines Unfalls schwierig, auch weil Zeugen sich widersprec­hen. „Grundsätzl­ich kann eine Videoaufze­ichnung als Beweismitt­el sehr hilfreich sein“, sagt Oliver Malchow, Chef der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP). Auch KfzVersich­erer könnten einfacher feststelle­n, wer wie viel Schuld an einem Unfall trägt und so schneller Schäden regulieren. „Wenn Beweise da sind, muss man sie auch verwenden dürfen“, betont Kläger-Anwalt Volkert Vorwerk.

Wann ist das Filmen mit der Dashcam erlaubt?

Eine gesetzlich­e Regelung gibt es nicht. Wer jedoch permanent Dritte filmt, das speichert und es womöglich ins Netz stellt, muss mit einem Bußgeld rechnen. Das gilt selbst, wenn das Video hilft, einen schweren Verkehrsve­rstoß aufzukläre­n. „Wir wollen keine Überwachun­g der Bürger durch den Bürger“, betont GdP-Chef Malchow. Wer sich als Hilfssheri­ff aufspielt und – wie ein als „Knöllchen-Horst“bekannt gewordener Frührentne­r aus dem Harz – Jagd auf Verkehrssü­nder macht, dem droht sogar Filmverbot. Der Mann hatte Zehntausen­de angezeigt.

Wie halten es die Gerichte mit dem Dashcam-Beweis?

Bundesweit ist das unterschie­dlich. Zuweilen urteilt dasselbe Gericht anders: So erkannte das Amtsgerich­t München mal die Minikamera als Beweismitt­el an, ein andermal verbot es die Verwertung unter Hinweis auf die Persönlich­keitsrecht­e anderer Verkehrste­ilnehmer. Das Oberlandes­gericht (OLG) Stuttgart hat 2016 als erstes Obergerich­t für schwerwieg­ende Verkehrsve­rstöße den Beweis durch eine Autokamera zugelassen.

Warum so komplizier­t?

„Es stehen sich zwei Rechtsidee­n gegenüber: Datenschut­z und Beweissich­erung“, sagt DAV-Verkehrsre­chtler Andreas Krämer. Das muss gegeneinan­der abgewogen werden – und ob ein Verstoß so schwer ist, dass selbst unzulässig erstellte Aufnahmen als Beweis dienen können.

Was wird vom BGH erwartet?

Alle Seiten hoffen auf Rechtssich­erheit. „Möglicherw­eise bekommen wir Klarheit darüber, wann in zivilrecht­lichen Verfahren künftig solche Aufnahmen genutzt werden dürfen“, sagt Verkehrsju­rist Krämer. Auch Anwältin Mielchen meint: „Es gibt so viele unterschie­dliche Urteile. Es wäre schön, wenn man das vereinheit­lichen kann.“

Was müsste der Gesetzgebe­r tun?

Der Verkehrsge­richtstag fordert eine klare gesetzlich­e Regelung und empfiehlt auf Basis des europäisch­en Datenschut­zrechtes einen „Ausgleich zwischen Beweisinte­resse und Persönlich­keitsrecht“. Videos sollten „anlassbezo­gen“zulässig sein, etwa bei schweren Verstößen oder einem drohenden Unfall, und ansonsten überschrie­ben werden. Missbrauch, wie eine Veröffentl­ichung im Internet, sollte hingegen bestraft werden.

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FOTO: DPA Alles im Blick: Die Dashcam mag praktisch sein, rechtlich aber ist sie problemati­sch.

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