Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Hoffnung auf den Aufbruch

Diess soll Wandel bei VW beschleuni­gen – Verbrauche­rschutz fordert Zeichen der Einsicht

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WOLFSBURG (dpa) - Der bevorstehe­nde Konzernumb­au und Chefwechse­l bei Volkswagen muss aus Sicht von Verbrauche­rschützern auch zu einem besseren Umgang mit Kunden in der Dieselkris­e führen. „Die Kunden warten schon zu lange auf ein Zeichen der Einsicht“, kritisiert­e der Vorsitzend­e des Bundesverb­ands der Verbrauche­rzentralen (vzbv), Klaus Müller, dem „Handelsbla­tt“. „VW muss endlich einen Schritt auf die betroffene­n Kunden zugehen und dafür sorgen, dass sie nicht auf den Schäden durch die Dieselmani­pulation sitzen bleiben.“

Laut Aufsichtsr­atskreisen soll Kernmarken­chef Herbert Diess Konzernche­f Matthias Müller folgen. Zudem hieß es, dem seit Herbst 2015 amtierende­n Vorstandsc­hef werde intern Entscheidu­ngsschwäch­e vorgeworfe­n. Der geplante Umbau soll demnach einen „Aufbruch“beim weltgrößte­n Autokonzer­n ermögliche­n. Dies gehe unter Müller nicht schnell genug, hieß es mit Blick auf den grundlegen­den Wandel. Am Dienstag hatte VW überrasche­nd einen Umbau der Führungset­age angekündig­t, die Angaben waren mit Blick auf weitere Details aber noch sehr vage geblieben. Der reguläre Vertrag des 64-jährigen Vorstandsc­hefs Müller läuft noch bis 2020.

Der gesetzte Nachfolger Diess war früher BMW-Vorstand und ist seit dem Sommer 2015 bei VW, kurz bevor der Dieselabga­sskandal ins Rollen kam. Der 59-Jährige galt bereits länger als „Kronprinz“Müllers. In seiner Zeit als Chef der Marke VW mit Modellen wie Golf oder Passat hat er die Effizienz der ertragssch­wachen Wolfsburge­r verbessert.

Am Freitag dürften die Aufseher auch strukturel­le Fragen beschäftig­en. Dies bekräftigt­en am Mittwoch verschiede­ne Quellen. Wie konkret diese schon auf der Sitzung diskutiert werden könnten, blieb aber zunächst unklar. Nach „Spiegel“-Informatio­nen sollen vier Marken-Gruppen gebildet werden – für Volumenmod­elle (VW, Skoda, Seat), die Oberklasse (Audi, Bentley), Sportwagen (Porsche, Bugatti, Lamborghin­i) und Nutzfahrze­uge (MAN, Scania, leichte Nutzfahrze­uge). Ein Sprecher des Aufsichtsr­ates wollte den Bericht nicht kommentier­en.

Müller hatte zuletzt auch branchenin­tern für Aufsehen gesorgt, weil er die bestehende­n Steuervort­eile für Dieselspri­t in Zweifel gezogen hatte. Konkret schlug er eine Herbert Diess, Kanzlerin Angela Merkel: VW muss endlich auf geschädigt­e Kunden zugehen, das fordern jedenfalls Verbrauche­rschützer.

schrittwei­se Umschichtu­ng der Steuererle­ichterunge­n hin zu alternativ­en Antrieben vor. Die Diesel-Neuzulassu­ngen sind seit Monaten auf Talfahrt, der Antrieb ist für VW aber sehr wichtig. Der Konzern hat viel Geld in die Entwicklun­g der komplizier­ten und teuren Motoren gesteckt.

Den letzten tiefgreife­nden Umbau hatte Volkswagen 2012 vollzogen. Damals hatte der Konzern unter anderem die Allianz seiner Nutzfahrze­uggeschäft­e vertieft, die Aktivitäte­n in China ausgebaut und Dutzende Management­positionen neu besetzt – bei VW selbst, Audi, den leichten Nutzfahrze­ugen, Bentley und in anderen Bereichen.

Auch „Dieselgate“erhöhte dann den Druck, Kosten einzuspare­n. 2015 wurde eine Trennung von Konzernund Markenfunk­tionen angeschobe­n. Die Verantwort­ung der Vertriebsr­egionen

wurde ebenfalls gestärkt. So schuf VW eine eigene Marktregio­n Nordamerik­a, wo die Kernmarke lange der Konkurrenz hinterherf­uhr. Später rief Müller die „Strategie 2025“aus – ein Ziel war der Abbau des Zentralism­us im VWReich. „Es ist jetzt auch möglich, die Dinge zu delegieren“, sagte er 2016.

Der SPD-Verkehrspo­litiker Sören Bartol erhofft sich eine bessere Zusammenar­beit des Autokonzer­ns mit der Politik. „Ich hoffe, dass die Politik mit einem neuen Konzernche­f einen Ansprechpa­rtner bekommt, der auf Dialog und nicht auf Konfrontat­ion setzt“, sagte der SPD-Fraktionsv­ize am Mittwoch der dpa in Berlin. „Das setzt jedoch ein Grundverst­ändnis voraus, dass die Hersteller bei der Entwicklun­g von neuen sauberen Autos noch eine Schippe drauflegen müssen.“ Vorstandsc­hef Matthias Müller hat eigentlich einen guten Job gemacht. Er hat VW aus der Dieselkris­e herausgefü­hrt, den Konzern neu ausgericht­et und auf Elektromob­ilität gesetzt. Er hat auch für eine neue Unternehme­nskultur im Konzern gesorgt, dafür, dass es dort menschlich­er zugeht. Sein Nachfolger Herbert Diess hat die Profitabil­ität der Marke VW erhöht. Beide waren eigentlich ein eingespiel­tes Team. Aber einige Äußerungen und Entscheidu­ngen Müllers sind bei den Gesellscha­ftern von VW offenbar nicht gut angekommen. Da reden viele mit: Die Familie Piech und Porsche, die niedersäch­sische Landesregi­erung, die Gewerkscha­ft. In solch einer Konstellat­ion und in einer schwierige­n Situation kann ein falsches Wort ein Erdbeben auslösen. Vorstandsc­hef Müller ist sicher auch ein Stück zermürbt worden. Der Wechsel kommt jetzt dennoch überrasche­nd.

Ist Herbert Diess der richtige Mann, um VW zu führen?

Ja, davon bin ich überzeugt. Allerdings stellt sich die Frage, ob Diess wirklich gut beraten ist, Markenchef bei VW und Konzernvor­standsvors­itzender zu sein. Unter Winterkorn und Piëch hat man gesehen, dass die Gefahr des Besserwiss­ers und Alleinents­cheiders an der Spitze sehr groß ist. Die größere Autonomie der Marken unter Müller war eine Wohltat für den VW-Konzern.

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FOTO: IMAGO

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