Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
DNA-Analyse soll Geschlechtsverkehr beweisen
Beim Prozess um eine Vergewaltigung im Fürstenhof fehlen die Beweise – Indizien sprechen gegen Angeklagte
HECHINGEN/SIGMARINGEN - Dem Landgericht Hechingen fehlen im Prozess um eine Vergewaltigung in der Sigmaringer Asylbewerberunterkunft Fürstenhof weiter die Beweise. Wie am gestrigen zweiten Verhandlungstag bekannt wurde, erhofft sich das Gericht von einer DNA-Auswertung des Landeskriminalamts belastbare Fakten. Ein vaginaler Abstrich der Frau, die die Vergewaltigung anzeigte, soll nach DNA-Spuren des Angeklagten K. untersucht werden. Er streitet den Geschlechtsverkehr ab. Die 23-jährige Frau habe sich nackt auf ihn gesetzt, deshalb sei er aus dem Schlaf erwacht, so seine Aussage. Kann man ihm das glauben?
Wie berichtet, sollen die zwei 26 Jahre alten Asylbewerber aus Gambia die 23-jährige Frau aus einer Kreisgemeinde im September 2017 mehrfach gegen ihren Willen zum Sex gezwungen haben. Die Frau belastete die beiden Männer, die seither in Untersuchungshaft sitzen. Der Hauptangeklagte S. weist die Anschuldigungen zurück, er ist der Auffassung, dass die zwei Männer und die Frau einvernehmlich Sex gehabt hätten. Die beiden teilten sich im Fürstenhof ein Zimmer.
Immer wieder lächelte der Angeklagte K. verlegen, als es um die Frage ging, ob er mit dem vermeintlichen Opfer geschlafen hat. Sein Dolmetscher übersetzte ihm die Zeugenaussagen in seine Muttersprache Mandinka. Im Zeugenstand sagte der Kripobeamte, der ihn vernommen hatte: „Als ich ihm vorgehalten habe, dass sein Mitbewohner sagte, dass auch er mit der Frau Sex hatte, ging er in sich und sagte nichts mehr.“Obwohl die Vernehmung mehr als ein halbes Jahr zurückliegt, erinnerte sich der Polizist noch genau an diesen Augenblick. Seine Sprechpause habe mehr als zehn Sekunden gedauert, die dem Polizisten wie eine Ewigkeit vorkam. Er habe nicht mehr stillsitzen können und sei zusehends müder geworden. Der Angeklagte K. behauptet, dass er aufgewacht sei, weil sich die Frau auf seinen Bauch gesetzt und ihm die Hose geöffnet habe. Als der Polizist weiter nachfragte, schwieg K. und brach die Vernehmung ab: „Das sind mir jetzt zu viele Fragen.“Da K. vor Gericht überwiegend schweigt, nähern sich die Beteiligten über Zeugenaussagen seiner Persönlichkeit: Die Haftrichterin Irene Schilling erlebte K. als „extrem arrogant“. Er habe die Frau als Verführerin dargestellt. „Ich habe gespürt, dass er sie nicht mochte“, sagte die Richterin im Zeugenstand. Immer wieder habe er angesprochen, wie unmöglich er es finde, dass sich die Frau nicht um ihren wenige Wochen alten Säugling kümmere. Auf die Frage, wie sie die beiden Angeklagten erlebt habe, antwortete Schilling: „S. kam mir so vor, dass er das Opfer mochte. K. wirkte auf mich kalt und arrogant.“Der Vorsitzende Richter Hannes Breucker erinnerte an die Schilderungen der 23-jährigen Frau am ersten Verhandlungstag: „Sie hat es genau andersherum erlebt.“
Unterschiedliche Aussagen
Handelte es sich um eine Vergewaltigung oder wollte die Frau den Sex? Die Haftrichterin ist der Auffassung, dass der Hauptangeklagte S. die zurückgelassenen Kleider der Frau und ihre Flucht nicht plausibel erklären konnte. Lediglich in einer Strickjacke bekleidet war sie aus dem ehemaligen Hotel gerannt. Ihre Jacke, die anderen Kleider, Geldbeutel und Handy wurden später von der Polizei sichergestellt. „Warum das so war, konnte S. nicht sagen.“Richterin Schilling nannte dies in Bezug auf die Vergewaltigung „ein starkes Indiz“.
Unterschiedliche Aussagen gibt es in Bezug auf den Alkoholkonsum: Die 23-jährige Frau sagte, sie habe nichts getrunken. Vor der Polizei gab der Angeklagte S. zu Protokoll, die Frau habe eine halbe Flasche Pfefferminzschnaps geleert. Sein ehemaliger Mitangeklagter sagte dazu: „Die Frau hat dem Alkohol gut zugesprochen.“
Laut eines Polizeiprotokolls, das verlesen wurde, beschrieb die Frau den Angeklagten K. mit Glatze, dickem Bauch und als 160 bis 170 Zentimeter groß. Keines dieser Merkmale trifft aus heutiger Sicht auf ihn zu. Danach gefragt, konnte der Polizist diesen Widerspruch nicht auflösen. Beim nächsten Verhandlungstermin stehen die Sachverständigen im Mittelpunkt. Da der Hauptangeklagte an dem Abend wohl größere Mengen Alkohol getrunken haben soll, wird ein Psychiater zu seiner Schuldfähigkeit Stellung nehmen. Außerdem hat sich ein Psychologe mit der Glaubwürdigkeit des vermeintlichen Opfers befasst. Und schließlich soll das Ergebnis der DNA-Analyse feststehen.