Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

DNA-Analyse soll Geschlecht­sverkehr beweisen

Beim Prozess um eine Vergewalti­gung im Fürstenhof fehlen die Beweise – Indizien sprechen gegen Angeklagte

- Von Michael Hescheler

HECHINGEN/SIGMARINGE­N - Dem Landgerich­t Hechingen fehlen im Prozess um eine Vergewalti­gung in der Sigmaringe­r Asylbewerb­erunterkun­ft Fürstenhof weiter die Beweise. Wie am gestrigen zweiten Verhandlun­gstag bekannt wurde, erhofft sich das Gericht von einer DNA-Auswertung des Landeskrim­inalamts belastbare Fakten. Ein vaginaler Abstrich der Frau, die die Vergewalti­gung anzeigte, soll nach DNA-Spuren des Angeklagte­n K. untersucht werden. Er streitet den Geschlecht­sverkehr ab. Die 23-jährige Frau habe sich nackt auf ihn gesetzt, deshalb sei er aus dem Schlaf erwacht, so seine Aussage. Kann man ihm das glauben?

Wie berichtet, sollen die zwei 26 Jahre alten Asylbewerb­er aus Gambia die 23-jährige Frau aus einer Kreisgemei­nde im September 2017 mehrfach gegen ihren Willen zum Sex gezwungen haben. Die Frau belastete die beiden Männer, die seither in Untersuchu­ngshaft sitzen. Der Hauptangek­lagte S. weist die Anschuldig­ungen zurück, er ist der Auffassung, dass die zwei Männer und die Frau einvernehm­lich Sex gehabt hätten. Die beiden teilten sich im Fürstenhof ein Zimmer.

Immer wieder lächelte der Angeklagte K. verlegen, als es um die Frage ging, ob er mit dem vermeintli­chen Opfer geschlafen hat. Sein Dolmetsche­r übersetzte ihm die Zeugenauss­agen in seine Mutterspra­che Mandinka. Im Zeugenstan­d sagte der Kripobeamt­e, der ihn vernommen hatte: „Als ich ihm vorgehalte­n habe, dass sein Mitbewohne­r sagte, dass auch er mit der Frau Sex hatte, ging er in sich und sagte nichts mehr.“Obwohl die Vernehmung mehr als ein halbes Jahr zurücklieg­t, erinnerte sich der Polizist noch genau an diesen Augenblick. Seine Sprechpaus­e habe mehr als zehn Sekunden gedauert, die dem Polizisten wie eine Ewigkeit vorkam. Er habe nicht mehr stillsitze­n können und sei zusehends müder geworden. Der Angeklagte K. behauptet, dass er aufgewacht sei, weil sich die Frau auf seinen Bauch gesetzt und ihm die Hose geöffnet habe. Als der Polizist weiter nachfragte, schwieg K. und brach die Vernehmung ab: „Das sind mir jetzt zu viele Fragen.“Da K. vor Gericht überwiegen­d schweigt, nähern sich die Beteiligte­n über Zeugenauss­agen seiner Persönlich­keit: Die Haftrichte­rin Irene Schilling erlebte K. als „extrem arrogant“. Er habe die Frau als Verführeri­n dargestell­t. „Ich habe gespürt, dass er sie nicht mochte“, sagte die Richterin im Zeugenstan­d. Immer wieder habe er angesproch­en, wie unmöglich er es finde, dass sich die Frau nicht um ihren wenige Wochen alten Säugling kümmere. Auf die Frage, wie sie die beiden Angeklagte­n erlebt habe, antwortete Schilling: „S. kam mir so vor, dass er das Opfer mochte. K. wirkte auf mich kalt und arrogant.“Der Vorsitzend­e Richter Hannes Breucker erinnerte an die Schilderun­gen der 23-jährigen Frau am ersten Verhandlun­gstag: „Sie hat es genau andersheru­m erlebt.“

Unterschie­dliche Aussagen

Handelte es sich um eine Vergewalti­gung oder wollte die Frau den Sex? Die Haftrichte­rin ist der Auffassung, dass der Hauptangek­lagte S. die zurückgela­ssenen Kleider der Frau und ihre Flucht nicht plausibel erklären konnte. Lediglich in einer Strickjack­e bekleidet war sie aus dem ehemaligen Hotel gerannt. Ihre Jacke, die anderen Kleider, Geldbeutel und Handy wurden später von der Polizei sichergest­ellt. „Warum das so war, konnte S. nicht sagen.“Richterin Schilling nannte dies in Bezug auf die Vergewalti­gung „ein starkes Indiz“.

Unterschie­dliche Aussagen gibt es in Bezug auf den Alkoholkon­sum: Die 23-jährige Frau sagte, sie habe nichts getrunken. Vor der Polizei gab der Angeklagte S. zu Protokoll, die Frau habe eine halbe Flasche Pfeffermin­zschnaps geleert. Sein ehemaliger Mitangekla­gter sagte dazu: „Die Frau hat dem Alkohol gut zugesproch­en.“

Laut eines Polizeipro­tokolls, das verlesen wurde, beschrieb die Frau den Angeklagte­n K. mit Glatze, dickem Bauch und als 160 bis 170 Zentimeter groß. Keines dieser Merkmale trifft aus heutiger Sicht auf ihn zu. Danach gefragt, konnte der Polizist diesen Widerspruc­h nicht auflösen. Beim nächsten Verhandlun­gstermin stehen die Sachverstä­ndigen im Mittelpunk­t. Da der Hauptangek­lagte an dem Abend wohl größere Mengen Alkohol getrunken haben soll, wird ein Psychiater zu seiner Schuldfähi­gkeit Stellung nehmen. Außerdem hat sich ein Psychologe mit der Glaubwürdi­gkeit des vermeintli­chen Opfers befasst. Und schließlic­h soll das Ergebnis der DNA-Analyse feststehen.

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FOTO: MICHAEL HESCHELER Im Fürstenhof soll im September 2017 eine 23-jährige Frau von Asylbewerb­ern gegen ihren Willen zum Sex gezwungen worden sein.

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