Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Kein Ponyhof

Beamte mit Pferd sind nicht bloß Reiter in Uniform, sondern Deeskalati­onsspezial­isten

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MÜNCHEN (dpa) - Es klingt nach einem Traumberuf für Pferdefreu­nde: Der Alltag eines berittenen Polizisten bedeutet mindestens vier Stunden täglich an der frischen Luft und im Sattel. Häufig auch in attraktive­r Umgebung, denn die Streife in Parks und Naherholun­gsgebieten ist Pflicht.

Ganz so romantisch ist der Job dann aber doch nicht. Erster Malus: Die Dienstzeit­en sind nach Angaben der Reiterstaf­fel der bayerische­n Polizei von der Auftragsla­ge abhängig. Maßgeblich wirkt sich die Fußballsai­son auf den Dienstplan aus. Die Arbeit an Wochenende­n ist schon allein deshalb eher Regel als Ausnahme.

Neben dem Einsatz auf Großverans­taltungen gehört auch die Präsenz auf Traditions­umzügen und dem Oktoberfes­t zum Job. Eine der Voraussetz­ungen für den repräsenta­tiven Dienst ist für Andreas Freundorfe­r, den Leiter der Reiterstaf­fel in München, deshalb auch ein „untadelige­s Erscheinun­gsbild“. Bewerber sollten sich vor dem Vorstellun­gsgespräch also lieber gründlich rasieren.

Die Streifen zu Pferd haben handfeste Vorteile: Imposant sind die Tiere – aber nicht angsteinfl­ößend. Denn das Pferd sei auch der größte Sympathiet­räger der Polizei. Flauschig, mit weichen Nüstern und großen Augen, ziehen die Tiere Bürger magisch an. Fotos machen, Small Talk, das Tier streicheln lassen, auch das gehört zum Job. Dauerbrenn­er unter den Fragen: „Ja wie alt ist er denn?“

Aber es kommt schon auch mal vor, dass die Reiter Unfälle und Strafanzei­gen aufnehmen müssen, Fahrzeuge abschleppe­n lassen oder Verwarnung­en ausstellen. Der Verwarnung­sblock ist immer dabei, ein paar Formulare auch. Die Polizeirei­ter, sie bleiben Beamten.

Wer zur Reiterstaf­fel will, muss in Bayern eine erfolgreic­h abgeschlos­sene Polizeiaus­bildung vorlegen und mindestens drei Jahre Dienst bei einer regionalen Polizeiins­pektion hinter sich haben. Die Bewerbungs­formalität­en in anderen Reiterstaf­feln können allerdings abweichen. Denn Polizei ist Ländersach­e.

In Bayern sind Reitkenntn­isse sogar kein Muss: Die letzten fünf Neulinge hier waren allesamt nicht mit dem Reiten vertraut. Innerhalb von sechs Monaten sind die Einsteiger aber in der Regel sattelfest genug, um mit dem Streifendi­enst zu starten.

Sich bei der Polizei zu bewerben, um irgendwann zur Reiterstaf­fel zu kommen, sei aber ein gewagtes Vorhaben, so Freundorfe­r. Nur ein Bruchteil der bayerische­n Polizisten verrichtet Dienst in der Reiterstaf­fel. Die Bewerberza­hlen sind hoch, die Stellen knapp. Nur 41 Beamte beschäftig­t die bayerische Polizei an ihren Standorten in München und Rosenheim.

Die Pferde sind ebenfalls sorgfältig gecastet. Allesamt sind sie Wallache, weil diese über das ruhigste Wesen verfügten, heißt es. Außerdem ist eine Mindestgrö­ße Pflicht. Kein Pferd ist unter 1,70 Meter Stockmaß. Zwei sind sogar 1,86 Meter hoch.

Das wichtigste Kaufargume­nt neben Gesundheit und Erscheinun­g ist der Charakter der drei- bis fünfjährig­en Jungpferde. Denn die größte Herausford­erung in der Ausbildung eines Polizeipfe­rdes besteht darin, ihm einen angeborene­n Trieb abzutraini­eren: Pferde sind Fluchttier­e. Damit sie für die Einsätze in lauter und menschenre­icher Umgebung geeignet sind, müssen sie Lärm, Bewurf und aggressive Personen nicht nur ertragen können. Sie müssen sogar direkt darauf zugehen.

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FOTOS (2): DPA Polizistin­nen zu Pferd – und nicht nur Reiterinne­n in Uniform: Wer bei der Reiterstaf­fel der Polizei arbeitet, hat zwar auch repräsenta­tive Aufgaben, ist vorrangig aber weiter Polizeibea­mter.
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FOTO: REITERSTAF­FEL BAYERN Andreas Freundorfe­r ist Leiter der Polizeirei­terstaffel Bayern in München.

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