Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Eine Zeit für Antworten auf viele Fragen
Kloster Sießen öffnet am Samstag die Pforten – Vielfalt des Klosterlebens
BAD SAULGAU - Unter dem Motto „Gut. Wir sind da.“hat die Deutsche Ordensobernkonferenz am Samstag bundesweit zum Tag der offenen Klöster eingeladen. Mit von der Partie waren natürlich auch die Franziskanerinnen von Sießen. Bei herrlichem Sommerwetter nutzten viele interessierte Besucher die Gelegenheit und nahmen die Einladung zum „Fest der Begegnung“auf dem Klosterberg gerne an.
Am frühen Nachmittag hält sich die Zahl der Besucher noch in Grenzen. Auch in den Praxisräumen von Schwester Marie-José Windholz. Die Heilpraktikerin hat vor knapp einem Jahr eine Naturheilpraxis eröffnet und bietet seither unterschiedliche Behandlungen an. Etwa die Schröpf-, Träger- und Klangmassentherapie oder das breite Heilkundespektrum der Heiligen Hildegard von Bingen. „Meine Mitschwestern nutzen das Angebot gerne“, erzählt sie. Doch die Nachfrage von außen halte sich aktuell noch in Grenzen.
Auf großformatigen Infotafeln im Hauptgebäude informieren sich Besuchergruppen unter anderem über die Zeit des Nationalsozialismus, als die Franziskanerinnen nicht mehr als Lehrkräfte tätig sein durften, weil sie als „politisch unzuverlässig“eingestuft wurden. Hier ist auch nachzulesen, dass das Mutterhaus 1940 beschlagnahmt, zwangsgeräumt und ein Umsiedlerlager eingerichtet wurde, in dem zeitweise bis zu 2000 Personen eingepfercht waren.
Währenddessen wird im Speisesaal, der aus Anlass des Aktionstages als Begegnungscafé fungiert, bei Kaffee und Kuchen eifrig kommuniziert. „Hier können die Besucher alle ihre Fragen loswerden“, sagt Schwester Elisa.
„Der richtige Platz“
Auch Lan Nguyen und Vera Köhler sind Ansprechpartner vor Ort. Letztere ist eine von aktuell sieben sogenannten Kandidatinnen, die im Februar dieses Jahres in die Glaubensgemeinschaft aufgenommen wurde. Lan Nguyen befindet sich noch im Status der „Interessierten“, hat Wirtschaftsinformatik studiert und freut sich sichtlich auf ihr zukünftiges Leben im Kreise der Franziskanerinnen. Vera Köhler ist Biologin und hat demnächst auch den Bachelor-Abschluss in Naturschutz und Landnutzungsplanung in der Tasche. Nach den tiefen Erlebnissen ihrer jeweiligen Berufung wissen beide, dass „hier der richtige Platz ist“für ihr zukünftiges Leben. Und wie gehen die jungen Frauen mit dieser zutiefst unruhigen Welt um? „Die gab es schon immer“, antwortet Vera Köhler. Für sie ist auch klar, dass sich „die Welt nur dann verändert, wenn wir uns verändern“.
Um die Vision einer friedlichen Welt geht es unter anderem auch in der Paramenten-Werkstätte. Paramente sind aufwendig gestaltete Textilien, die im Kirchenraum auf vielfältige Weise Verwendung finden. Schwester Agnes ist Handstrickmeisterin und führt an diesem Nachmittag die Besuchergruppen durch die Räumlichkeiten. Im Rahmen ihrer Meisterstück-Fertigung hat sie sich für ein Motiv entschieden, das symbolisch für ein friedliches Miteinander aller großen Religionen steht: Sie hat die Stadt Jerusalem als Stadt des Friedens mit viel Fingerspitzengefühl gestalterisch umgesetzt. Im Festsaal informiert eine Bilderreihe über das Leben im Kloster, während in der Bibliothek im reichen Buchbestand geschmökert werden kann. Zum Abschluss laden die Franziskanerinnen zum Abendgebet in die Kapelle ein.