Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Binsch wechselt von der SPD zu den Freien Wählern

Der 32-jährige Gemeindera­t und Kreisrat kehrt den Sozialdemo­kraten den Rücken – Frust über Bundespoli­tik

- Von Sebastian Korinth

GAMMERTING­EN - Paukenschl­ag in der Kommunalpo­litik: Stephan Binsch, der für die SPD im Gammerting­er Gemeindera­t und im Sigmaringe­r Kreistag sitzt, wechselt von den Sozialdemo­kraten zu den Freien Wählern. Mit deren Unterstütz­ung will er 2019 in den Kommunalwa­hlkampf in Gammerting­en und auf Kreis-Ebene ziehen. Ausschlagg­ebend ist Binschs Frust über die Bundespoli­tik der SPD. „Mein Schritt hat absolut nichts mit dem Ortsverein oder den Fraktionen zu tun, sondern damit, dass die SPD nichts aus ihren Wahlnieder­lagen lernt“, sagt er.

Von 2007 bis 2017 war Stephan Binsch Vorsitzend­er des Gammerting­er Ortsverein­s, von 2011 bis 2015 Kreisvorsi­tzender. 2009 wurde er zum ersten Mal in den Gemeindera­t gewählt, 2014 in den Kreistag. „Ich bin 2002 in die SPD eingetrete­n, als Gerhard Schröder Kanzler war“, sagt Binsch. Ihn habe Schröders Kurs überzeugt, nicht nur die klassische SPD-Klientel anzusprech­en, sondern auch Menschen aus der Mitte. Davon habe sich die Partei im Laufe der Zeit aber immer mehr verabschie­det. „Und das Spitzenper­sonal wundert sich, warum die SPD Wahlnieder­lagen einfährt“, sagt Binsch.

Dass der Ex-Vorsitzend­e Martin Schulz nach der Bundestags­wahl zunächst eine große Koalition ausschloss und später dann doch dafür warb, bezeichnet Stephan Binsch als „Wortbruch“, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe. „Die letzte Bundestags­wahl hat gezeigt, dass es nicht zielführen­d ist, sich allein auf soziale Gerechtigk­eit zu konzentrie­ren“, sagte der 32-Jährige, der in diesen Tagen sein Rechtsrefe­rendariat abschließt und anschließe­nd als Anwalt arbeiten will. „Spricht man so etwas aber bei Versammlun­gen an, wird man häufig in die rechte Ecke gestellt. Das sei nicht sozialdemo­kratisch, heißt es dann.“

Parteibuch zurückgesc­hickt

Der gesammelte Frust brachte den Kommunalpo­litiker schließlic­h dazu, der SPD den Rücken zu kehren. Am Mittwoch schickte er sein Parteibuch zurück, inzwischen ist er den Freien Wählern beigetrete­n. In der vergangene­n Woche informiert­e er darüber seine Fraktionsk­ollegen aus dem Kreistag. „Jubel sieht natürlich anders aus“, sagt Stephan Binsch über deren Reaktion. Auch der SPD-Ortsverein sei inzwischen informiert. „Dieser hätte es gern gesehen, wenn ich weitergema­cht hätte“, sagt Binsch. Seine Fraktionsk­ollegen im Gemeindera­t, Elmar Molnar und Gabriele Schirmer (beide Unabhängig­e Bürger), hätten den Schritt derweil eher zur Kenntnis genommen.

Wichtig war es Stephan Binsch, sich frühzeitig vor der Kommunalwa­hl 2019 aus der SPD zurückzuzi­ehen. „Ich wollte jetzt Fakten schaffen, damit sich die Partei nach anderen Kandidaten umsehen kann“, sagt er. Während der noch laufenden Wahlperiod­e wolle er aber auch nicht die Fraktion wechseln. „Das wäre nicht fair denen gegenüber, die so gewählt haben, wie sie gewählt haben.“Im kommenden Jahr will Binsch für die Freien Wähler für den Kreistag kandidiere­n und eine parteiunab­hängige Liste für den Gemeindera­t aufstellen. „Mit potenziell­en Kandidaten für die Kommunalwa­hl bin ich seit einigen Wochen im Gespräch“, sagt er.

Teilorte als Herausford­erung

Sowohl für den Gemeindera­t als auch für den Kreistag rechnet sich der 32Jährige durchaus gute Chancen aus – auch wenn Gammerting­en für die Freien Wähler bislang ein unbeschrie­benes Blatt ist. „Die Bereitscha­ft, für eine parteiunab­hängige Liste ins Rennen zu gehen, ist ungleich größer“, sagt Stephan Binsch. „Ich stehe diesbezügl­ich in Kontakt mit Leuten, die in der Gesellscha­ft, in Vereinen und im Ehrenamt verankert sind.“Eine Herausford­erung sieht Binsch eher in den Teilorten. „Da wird es vermutlich schwierige­r, entspreche­nde Kandidaten zu finden“, sagt er. „Dort hat die CDU einen Standortvo­rteil.“

Alles in allem empfindet Stephan Binsch aber nicht ausschließ­lich Aufbruchst­immung. „Diese Entscheidu­ng ist mir nicht leicht gefallen, aber sie ist die logische Konsequenz eines Entfremdun­gsprozesse­s, der sich über Jahre hingezogen hat“, sagt er.

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ARCHIVFOTO: PRIVAT Der Gammerting­er Stephan Binsch sieht für sich in der SPD keine Zukunft mehr.

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