Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Passatfahrer darf Diesel weiter nutzen
Verwaltungsgericht: Begründung des Landratsamts für Fahrverbot ist unzureichend
KREIS SIGMARINGEN - Ein Fahrer eines VW Passat aus dem Kreis Sigmaringen darf sein Auto weiter nutzen, obwohl ihm das Landratsamt den Betrieb untersagt hatte. Der Autofahrer aus Sigmaringendorf weigerte sich, die unzulässige Abschalteinrichtung der Abgasreinigung seines DieselWagens zu entfernen. Namhafte Autobauer hatten die Manipulationssoftware installiert, um Abgastests zu bestehen. Diese Tricksereien sind unter der Überschrift Diesel-Affäre bekannt geworden.
Vom Kraftfahrt-Bundesamt war der Passat-Fahrer bei einer Rückrufaktion dazu aufgefordert werden, sein Auto in die Werkstatt zu bringen. Weil er sich dagegen geweigert hatte, zog das Landratsamt Sigmaringen in der Folge die Betriebserlaubnis zurück. Der Kläger war vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen dagegen vorgegangen und hatte recht bekommen.
Nach Angaben des Gerichtssprecher Otto-Paul Bitzer hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen erstmals ein Urteil dieser Art gesprochen. Die Begründung der 5. Kammer: Das Landratsamt habe die Untersagung nicht ausreichend schriftlich begründet. In dem Bescheid habe das Landratsamt einen „ersichtlich unpassenden Textbaustein“verwendet. Das Landratsamt brachte als Begründung die „Sicherheit und Gesundheit von Personen“vor. Laut Gericht hätten die Beamten im Landratsamt ihre Entscheidung vielmehr mit dem Umweltschutz oder der Luftreinhaltung begründen müssen. Da diese Begründung fehlte, erschien dem Gericht die Entscheidung der KFZ-Zulassungsstelle unangemessen. Zu dem nach Ansicht der Verwaltungsrichter fehlerhaften Verhalten der Behörde will das Landratsamt keine Stellung beziehen. Die Behörde werde die Ausführungen des Gerichts auswerten und das weitere Vorgehen mit dem Regierungspräsidium abstimmen, teilt Pressesprecher Tobias Kolbeck schriftlich mit.
Sprecher: Öffentliches Interesse ist höher zu bewerten
Vielmehr erklärt der Pressesprecher, wie es zu der Entscheidung gekommen ist: Den Zulassungsbehörden sei vom zuständigen Kraftfahrtbundesamt gemeldet worden, wenn ein Autohalter nicht an einer Rückrufaktion teilgenommen habe. Von den Landesbehörden sei das Landratsamt aufgefordert worden, konsequent auf die Entfernung der verbotenen Abschalteinrichtungen hinzuwirken. Laut Landratsamt haben Autofahrer mehrere Monate lang für die Umrüstung Zeit. Im konkreten Fall hätte der Sig’dorfer Kläger die Abschalteinrichtung bis 28. Februar entfernen müssen. Gegen den amtlichen Bescheid legte er Widerspruch ein und erhob Klage. „Das öffentliche Interesse an der Luftreinhaltung zum Schutz von Mensch und Umwelt hat für uns Vorrang vor dem Interesse des einzelnen Dieselfahrers“, schreibt Kolbeck.
Das Gericht weist darauf hin, dass Betriebsuntersagungen nicht gänzlich ausgeschlossen seien. Laut aktuellen Medienberichten bemängelt die EU bei der Nachrüstung von betroffenen Fahrzeugen ein Vollzugsdefizit. Das heißt: Behörden müssten die Umsetzung der Rückrufaktionen strenger überwachen. Genau dies hatte die Sigmaringer Behörde getan, allerdings offensichtlich mit der falschen Begründung.