Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Serie zu den neuen Datenschut­zregeln

Am 25. Mai tritt die EU-Datenschut­zverordnun­g in Kraft – Serie beleuchtet vorab die wichtigste­n Aspekte

- Von Sebastian Heinrich

RAVENSBURG (sz) - In knapp drei Wochen tritt die neue Datenschut­zgrundvero­rdnung der EU (EUDSGVO) in Kraft. Sie soll Verbrauche­r schützen, stellt aber Behörden und Firmen vor Probleme. Ab 25. Mai 2018 droht Unternehme­n, die die Vorgaben nicht einhalten, ein Bußgeld in Höhe von bis zu vier Prozent des jährlichen weltweiten Umsatzes. Heute startet in der „Schwäbisch­en Zeitung“die Serie zur EU-DSGVO.

RAVENSBURG - Seit Langem hat ein neues Gesetz nicht mehr für derart lange Zeit für so viel Gesprächss­toff gesorgt wie sie: die europäisch­e Norm mit dem sperrigen Namen EU-Datenschut­zgrundvero­rdnung (EU-DSGVO). In einer Serie beleuchtet die „Schwäbisch­e Zeitung“, was die Verordnung beinhaltet – und welche Auswirkung­en sie auf Verbrauche­r, Unternehme­n und Vereine in der Region hat. Im ersten Teil der Serie wird erklärt, was im Text der Verordnung steht, welche Ziele sie hat und was sich ändert.

Was ist die EU-DSGVO eigentlich?

Die EU-DSGVO ist eine Verordnung der Europäisch­en Union – also ein EU-weites Gesetz, das in allen 28 Mitgliedss­taaten unmittelba­r gültig ist. Das 99 Artikel starke Gesetz enthält allerdings einige sogenannte Öffnungskl­auseln, die es den einzelnen Staaten ermögliche­n, bestimmte Aspekte zu erweitern oder genauer festzulege­n. Erklärtes Ziel der EUDSGVO ist es, die „personenbe­zogenen Daten“aller Bürger der EU besser und einheitlic­her zu schützen. „Personenbe­zogene Daten“sind Daten mit persönlich­em Bezug zu einem Menschen (etwa Geburtstag und -ort und Adresse) oder solche mit einem sachlichen Bezug (etwa eine Mitarbeite­rnummer) zu ihm. In der Verordnung gesondert behandelt sind „besondere Kategorien personenbe­zogener Daten“: Informatio­nen etwa zu Religion, politische­r Präferenz, Gesundheit­szustand oder ethnischer Zugehörigk­eit. Sie werden durch die Verordnung besonders stark geschützt. Der EU-DSGVO zugestimmt haben das EU-Parlament und – einstimmig – der Ministerra­t, also die Regierunge­n aller Mitgliedss­taaten. In Kraft getreten ist die EUDSGVO schon am 24. Mai 2016. Anzuwenden und somit in der ganzen EU bindend ist sie ab Freitag, den 25. Mai 2018.

Was soll die EU-DSGVO den Bürgern konkret bringen?

Durch die EU-DSGVO sollen die Rechte von Verbrauche­rn gegenüber Unternehme­n und privaten wie staatliche­n Organisati­onen gestärkt werden. Jede Person soll selbst beGrundsät­zlich

stimmen können, welche Unternehme­n, Behörden, Verbände und Vereine auf welche Art und wie lange über ihre personenbe­zogenen Daten verfügen. Das schließt das „Recht auf Vergessenw­erden“ein – also das Recht, seine Daten bei einem Unternehme­n komplett löschen zu lassen. Wenn in den folgenden Zeilen von „Unternehme­n“die Rede ist, sind immer auch andere private und staatliche Organisati­onen gemeint. Die EU-DSGVO legt fest, wer überhaupt welche Daten sammeln darf, wozu die Daten verwendet werden dürfen und welche Rechte die Person hat, um deren Daten es geht. Das Prinzip hinter der EU-DSGVO:

ist das Sammeln personenbe­zogener Daten verboten. Erlaubt ist es in der Regel nur, wenn die betroffene Person der Datenerheb­ung und -verarbeitu­ng eindeutig, freiwillig und wissentlic­h zustimmt – oder wenn es ein Gesetz erlaubt (das betrifft etwa die Verarbeitu­ng von Daten durch das Finanzamt), wenn die Daten zur Erfüllung von Verträgen nötig sind, wenn sie erforderli­ch sind, um lebenswich­tige Interessen zu schützen oder eine Aufgabe im öffentlich­en Interesse zu erfüllen.

Die Speicherun­g und Verarbeitu­ng von Daten ist auch dann erlaubt, wenn dadurch

das „berechtigt­e Interesse“eines Unternehme­ns durchgeset­zt wird. Dieses Interesse muss aber schwer wiegen – schwerer als die Grundrecht­e und Grundfreih­eiten der Person, um deren Daten es geht. Und das ist eine ziemlich hohe juristisch­e Hürde. Eine einmal erteilte Zustimmung zur Datenverar­beitung kann eine Person jederzeit widerrufen – und kann von Unternehme­n Auskunft über die gespeicher­ten Daten, deren Korrektur und deren Löschung verlangen.

Was genau ändert sich durch die EUDSGVO?

Erstens wird durch die DSGVO das Datenschut­zrecht europaweit weiter vereinheit­licht. Der freie Verkehr personenbe­zogener Daten innerhalb der EU wird so erleichter­t – und kann nicht mehr mit dem Argument behindert werden, dass unterschie­dliche nationale Regelungen gelten. Zweitens gilt nun bei internatio­nalen Datenschut­z-Streitigke­iten das Marktortpr­inzip. Das heißt, EU-Bürger können sich immer auf die EUDSGVO berufen, wenn sie auf dem Gebiet der EU mit Unternehme­n in Kontakt treten. Bisher galt – etwa bei Streitigke­iten mit US-Technologi­eriesen wie Google und Facebook – das Recht des Landes, in dem das Unternehme­n seinen Hauptsitz hatte. Drittens – und das ist auch für europäisch­e Unternehme­n eine große Herausford­erung – wird beim Datenschut­z jetzt die Beweislast umgekehrt. Bisher mussten Verbrauche­r im Streitfall dem Unternehme­n nachweisen, dass es Daten mangelhaft gespeicher­t oder verarbeite­t hatte. Jetzt müssen umgekehrt die Unternehme­n belegen, dass sie alles korrekt gemacht haben. Viertens hat jeder Verbrauche­r nun das Recht darauf, zu erfahren, welche Daten ein Unternehme­n über ihn gespeicher­t hat – und kann die Löschung der Daten verlangen (es sei denn, ein Gesetz steht dem entgegen – wie etwa beim Finanzamt). Aus Änderung drei und vier ergibt sich Nummer fünf: Unternehme­n müssen ein geeignetes Datenschut­z-Management aufbauen und – mit Ausnahme von Kleinunter­nehmern – einen Datenschut­zbeauftrag­ten benennen. Sechstens – und das macht die EUDSGVO für Unternehme­n besonders brisant – sind die Strafen bei Verstößen deutlich höher als bisher: Sie können maximal 20 Millionen Euro betragen – oder, bei internatio­nalen Großkonzer­nen, bis zu vier Prozent des weltweiten Jahresumsa­tzes. Bei Facebook etwa wären aktuell bis zu 1,6 Milliarden Euro Strafe möglich.

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FOTO: DPA Blick in das Rechenzent­rum eines Internetdi­enstanbiet­ers: Das Netz vergisst nichts, heißt es. Nun sollen Bürger in Europa aber das Recht haben, vergessen zu werden.

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