Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Muttertag: Wertschätzung statt Herzchen
Am morgigen Sonntag ist der Tag, an dem die Mütter mit Herzchen und Blümchen beschenkt werden. Die Kinder in den Kindergärten und Grundschulen malen und basteln, um ihren Müttern eine Freude zu machen. Manch eine Mutter wird sogar noch mit einem gedeckten Frühstückstisch beglückt. Selbstverständlich freut sich darüber jede Mutter – vor allem über die strahlenden Kinderaugen, voller Stolz und Liebe. Letztere beiden beruhen normalerweise auf Gegenseitigkeit.
Doch ehrlich gesagt, stehe ich selbst Mutter von zwei jugendlichen Kindern – dem Muttertag mit zwiespältigen Gefühlen gegenüber. Der Liebe meiner Kinder bin ich mir gewiss, ob mit oder ohne Herzen und Blumen, die ich sehr wohl gerne entgegennehme. Aber ich finde, dass die Mutterrolle in der Krise steckt. Es als Mutter „richtig“zu machen, ist schier unmöglich. Die Kinder selbst zu Hause zu betreuen, genießt wenig gesellschaftliche Anerkennung. Die Kinder in die Kindertagesstätte zu bringen und berufstätig zu sein, bedeutet immer einen Spagat. Heute sind die meisten Mütter nicht nur Mutter, sondern stehen genauso im Berufsleben ihre Frau. Die Realität sieht dann so aus, dass „frau“alles unter einen Hut zu bekommen versucht: die Kinder pünktlich in den Kindergarten zu bringen, nicht nur pünktlich, sondern auch noch engagiert bei der Arbeit zu sein, nebenbei den Haushalt schmeißen (waschen, putzen, einkaufen und kochen muss man auch heute noch), die Kinder zu fördern mit ihren sportlichen, musischen und kreativen Hobbys (auf dem Land sind das eine Menge Fahrdienste) und viele kümmern sich last but not least auch noch um die ältere Generation. Erst dann ist Feierabend. Die wenigsten Mütter, die ich kenne, pflegen eigene Hobbys – außer man rechnet das Bügeln während des Tatorts als Hobby.
So manche Mutter wünscht sich mehr Anerkennung für ihre tägliche Mühe. Und eben nicht nur von den Kindern. Es geht um Wertschätzung. Die wird konkret, wenn sie ausgesprochen wird: von den Vätern, den Kollegen/innen oder den Chefs. Ist den Vorgesetzten bewusst, dass sie Mütter beschäftigen? Mir scheint, dass uns die Wertschätzung eine Haltung ist, die es neu einzuüben gilt. Das ist kein Problem der Mütter, sondern betrifft eigentlich all die vielen Menschen, Männer und Frauen, ob mit oder ohne Kinder, die nicht Freizeit und Konsum an die oberste Stelle setzen, sondern die ihre Kraft und Energie für andere einsetzen und sich um andere kümmern. Es gibt nämlich viele Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren. In den Vereinen und Kirchengemeinden, in der Pflege – all die herzensguten Menschen, die anderen ihre Zeit und Energie schenken. Das ist von unschätzbarem Wert – nicht nur volkswirtschaftlich gedacht.
Am besten fängt jeder mit der Wertschätzung bei sich selbst an. Wenn wir uns nicht gegenseitig abwerten, sondern die Mühen des Nächsten schätzen, kann sich das Klima verändern. Wenn wir dem anderen sagen: „wow, ich finde klasse, wie du dich einsetzt.“Oder: „Ich bin dir so dankbar, dass du dich kümmerst.“Den unschätzbaren Wert eines andern zu schätzen – das ist, was Jesus gewollt hat. „Das Göttliche im Anderen erkennen“, könnte man das nennen. Diese wertschätzende Haltung ist Gottesdienst im Alltag. Wenn wir alle nicht nur die eigenen Leistungen gelobt haben wollen, sondern vor allem die der anderen wertschätzen – das gehört zum anbrechenden Reich Gottes. Das voller Schätze ist!