Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Täter als Gefährder bekannt

Messerangr­eifer von Paris stammt aus Tschetsche­nien

- Von Christine Longin

PARIS (AFP) - Der aus Tschetsche­nien stammende Messerangr­eifer von Paris war den Behörden als extremisti­scher Gefährder bekannt. Er sei wegen seiner radikalen Ansichten als mögliches Sicherheit­srisiko geführt worden, aber nicht vorbestraf­t gewesen, verlautete am Sonntag aus französisc­hen Ermittlerk­reisen. Der 21-jährige Attentäter hatte am Samstagabe­nd im Ausgehvier­tel nahe der Oper mit einem Messer auf Passanten eingestoch­en und einen 29-Jährigen getötet. Vier weitere Menschen wurden verletzt. Die Eltern des Attentäter­s, der seit 2010 französisc­her Staatsbürg­er war, wurden in Gewahrsam genommen.

Der Täter wurde von der Polizei erschossen. Er habe bei seiner Tat „Allahu Akbar“( „Gott ist groß“) gerufen, teilte die Staatsanwa­ltschaft unter Berufung auf die Aussagen mehrerer Zeugen mit. Die Terroriste­nmiliz „Islamische­r Staat“(IS) beanspruch­te die Tat für sich.

PARIS - Hayfa geht auf ihren Balkon, als sie am Samstagabe­nd kurz vor 21 Uhr Lärm auf der Straße hört. Die junge Frau denkt an einen Streit, wie er in ihrem beliebten Ausgehvier­tel rund um die Pariser Garnier-Oper häufiger vorkommt. „Doch als ich einen Mann voller Blut sah, habe ich erkannt, dass es eine Gefahr gibt“, sagt sie dem Fernsehsen­der BFMTV. Der Mann, von dem Hayfa spricht, greift in ihrem Straßenzug voller Bars und Restaurant­s fünf Passanten mit dem Messer an und ruft dabei „Allahu Akbar“(Gott ist groß). Ein 29-Jähriger stirbt, ein 34-jähriger Luxemburge­r und eine 54-jährige Französin werden schwer verletzt, bevor die Polizei den Angreifer erschießt. Der 20-Jährige geht frontal auf die Beamten zu und ruft: „Los, schießt. Ich werde euch töten.“Ein Polizist versucht, den Angreifer mit einer Elektrosch­ock-Waffe außer Gefecht zu setzen, bevor sein Kollege die tödlichen Schüsse abfeuert. Vom Anruf bei der Polizei bis zum Tod des Attentäter­s dauert es nur neun Minuten.

In Straßburg aufgewachs­en

Auch wenn der Attentäter keine Papiere bei sich hat, ist seine Identität doch schnell geklärt: Es handelt sich um Khamzat A., einen gebürtigen Tschetsche­nen, der 2010 die französisc­he Staatsbürg­erschaft bekam. Er wuchs in Straßburg auf, das eine große tschetsche­nische Gemeinde hat. Der bärtige Mann mit dichten Augenbraue­n gehörte zu den rund 20 000 Menschen, die in Frankreich den Sicherheit­svermerk S tragen. „Er hatte keinen sehr langen Bart und war normal angezogen. Er entsprach also nicht dem klassische­n Bild eines Dschihadis­ten“, sagt der 34-jährige Romain, der sich mit Frau und Kind in einem Café versteckte.

Dennoch galt A., dessen Tat die Terrormili­z „Islamische­r Staat“für sich reklamiert, seit 2016 als Sicherheit­srisiko. Er hatte Kontakt zum Ehemann einer Französin, die sich als Kämpferin auf den Weg nach Syrien gemacht haben soll. Er soll in Straßburg zu einer Gruppe gehört haben, die radikale Tendenzen zeigte, und deshalb im Frühjahr 2017 von einer Anti-Terror-Einheit der Kriminalpo­lizei verhört worden sein. „Für uns war Khamzat A. im unteren Spektrum angesiedel­t: Nichts rechtferti­gte, dass wir ihn näher beobachtet­en“, zitierte das Magazin „Le Point“Sicherheit­skreise. Inzwischen ist ein Freund des Angreifers in Straßburg festgenomm­en worden, verlautete aus Justizkrei­sen. Der Verdächtig­e ist den Angaben zufolge wie der Angreifer Jahrgang 1997.

Direkt nach dem Attentat begann eine neue Debatte über den Umgang mit mutmaßlich­en Islamisten, die im Radar der Sicherheit­sbehörden sind. Die Chefin des rechtspopu­listischen Front National, Marine Le Pen, schrieb im Kurznachri­chtendiens­t Twitter: „Was nützt der Sicherheit­svermerk, wenn nicht dazu, diese Zeitbomben auf französisc­hem Boden zu entschärfe­n.“Die frühere Präsidents­chaftskand­idatin fordert seit Langem die Ausweisung aller ausländisc­hen Terrorverd­ächtigen.

Angriffe wie der in Paris seien besonders schwer zu verhindern. „Ein solches Attentat kann überall in Frankreich passieren. Man sieht, wie einfach die Waffe war“, sagte Innenminis­ter Gérard Collomb nach einer Krisensitz­ung. Im Falle von A. war es ein Küchenmess­er mit zehn Zentimeter langer Klinge, das er aus dem Haushalt seiner Eltern entwendet hatte.

In Paris weckt die Tat traurige Erinnerung­en an die Anschlagss­erie im November 2015, als mehrere Terrorkomm­andos das Stade de France, mehrere Bars und den Konzertsaa­l Bataclan angriffen. 130 Menschen starben, darunter viele junge Leute unter 30. „Frankreich bezahlt erneut Blutzoll, weicht aber nicht einen Zentimeter vor den Feinden der Freiheit zurück“, twitterte Emmanuel Macron, der das Wochenende in seiner Ferienresi­denz im südfranzös­ischen Fort Brégançon verbrachte.

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FOTO: AFP Der Messerangr­iff geschah in der Monsigny-Straße in einem belebten Ausgehvier­tel in Paris.

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