Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Merkels Vertrauter fühlt vor
Nach der Außenpolitik ist bei der deutschen Diplomatieoffensive in Russland nun die Wirtschaft an der Reihe. Wenn Peter Altmaier heute und am Dienstag zunächst in Kiew und dann in Moskau Gespräche führt, geht es um Gas, vor allem um die umstrittene Ostseepipeline Nord Stream 2. Aber auch ein Ausloten und Abtasten in wichtigen politischen Fragen wie der UkraineKrise und im Streit mit den USA um das Atomabkommen mit dem Iran dürfte auf der Agenda des CDU-Politikers stehen. Der Hintergrund: Am Freitag hat sich Kanzlerin Angela Merkel bei Präsident Wladimir Putin angekündigt. Zum ersten Mal seit einem Jahr reist sie nach Russland.
Den Anfang der Offensive hatte am Donnerstag Außenminister Heiko Maas gemacht. Die Stimmung beim Treffen mit Amtskollege Sergej Lawrow wirkte aber kühl. Anders als bei Maas’ SPD-Vorgängern Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier blieb eine Einladung zum Gespräch mit Putin aus. Wirtschaftsminister Altmaier kann mit mehr Gesprächspartnern in Moskau rechnen. Regierungschef Dmitri Medwedew will ihn treffen, Energieminister Alexander Nowak auch.
Altmaier liegen Vermittlerrollen
Vermitteln – das kann Peter Altmaier. Der Mann war lange Kanzleramtsminister, als enger Vertrauter Merkels hat er so manche innenpolitische Entscheidung hinter den Kulissen eingefädelt. Nun bekommt er es mit außenpolitischen Themen zu tun. Nord Stream 2 ist ein Topthema bei den Gesprächen. Die deutsche Wirtschaft mischt bei dem Projekt kräftig mit, es geht um Milliarden – und um einen brisanten politischen Konflikt zwischen der Ukraine und Russland. Er wolle sich für die berechtigten Interessen der Ukraine einsetzen, sagte Altmaier, der am Sonntagabend in Kiew eintraf.
Kritiker in der EU befürchten eine Abhängigkeit von russischer Energie, wenn neben Nord Stream 1 eine weitere Leitung gebaut wird, die Gas direkt von Russland nach Deutschland befördert. Russland sieht das anders. Zudem hält Moskau die Infrastruktur in der Ukraine für veraltet. Für die Ukraine steht die künftige Bedeutung als Transitland auf dem Spiel – und viel Geld für den Staatskonzern Naftogaz. Auch im politischen Konflikt zwischen der Ukraine und Russland ist das Gas wichtig. Kiew sieht sich wegen der russischen Annexion der Halbinsel Krim 2014 und der Unterstützung für prorussische Separatisten im Donbass im Krieg mit Moskau. Der auch für Russland wichtige Gastransit wird in Kiew als Aspekt gesehen, der eine militärische Eskalation verhindert.
Keine einfache Konstellation für Altmaier und Merkel, zumal das Verhältnis angespannt ist. Der Moskauer Deutschland-Experte Wladislaw Below findet es jedoch bemerkenswert, dass nun gleich drei Mitglieder der Bundesregierung nach Russland reisen. „Das ist ein sehr gutes Signal und wird im Kreml sicher auch so aufgefasst“, sagte Below. (dpa)