Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Marx, die Katholiken und der Wunsch nach Frieden
Auf dem Katholikentag reagiert die Kirche auf politische Herausforderungen – Schwierige Suche nach Lösungen
In Münster ist am Sonntag der 101. Katholikentag zu Ende gegangen. Im Abschlussgottesdienst rief der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx (Foto: epd), vor 30 000 Gläubigen dazu auf, trotz der „Zerrissenheit“der Welt die Hoffnung nicht zu verlieren. Der fünftägige Katholikentag stand unter dem Leitwort „Suche Frieden“. An 1000 Veranstaltungen hatten sich fast 88 000 Menschen beteiligt.
MÜNSTER - „Wir erreichen jetzt die Katholikentagshalle Münsterland, der Ausstieg ist in Fahrtrichtung rechts, Halleluja.“Hätte ein Busfahrer beim Katholikentag 2016 im atheistisch geprägten Leipzig seine Fahrgäste mit einem frommen Spruch verabschiedet, so hätte er mit freundlichem Desinteresse, vielleicht auch mit Buhrufen rechnen müssen. In Münster ist das anders: In der Stadt des Westfälischen Friedens von 1648 sind Kirche und Katholizismus so selbstverständlich präsent, dass die 53 000 Dauer- und 35 000 Tagesteilnehmer des 101. Katholikentages mit ihren türkisfarbenen Schals fünf Tage lang im Stadtleben mitschwingen. Ein „hochpolitisches Treffen“sei zu Ende gegangen, sagt Thomas Sternberg, der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Der Münchner Kardinal und Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, ergänzt und nennt den Katholikentag eine gute Möglichkeit, auf besondere Herausforderungen zu reagieren. Er spricht von einer Entchristlichung der Gesellschaft, zunehmender Fundamentalisierung der Religionen und von Versuchen, Religion politisch zu instrumentalisieren.
„Dankbar für die Musik“
Während Sternberg und Marx die politische Seite des Christentreffens betonen, engagieren sich Martin Schyra und Christiane Dennenhofer aus Ravensburg mit der „Immanuel Lobpreiswerkstatt“singend und musizierend seit 1989 auf der liturgischtheologischen Seite: „Das Ziel, Gott mit unserer Musik zu ehren, ihm zu begegnen und anderen diese Begegnung zu ermöglichen und ihnen auf ihrem Weg in Gottes Gegenwart zu helfen, ist immer dasselbe geblieben.“Dennenhofer sagt, sie sei „unterwegs mit Gott, der uns am Leben hält“. Schyra berichtet von seinen Erfahrungen: „Großveranstaltungen sind ganz nach meinem Geschmack, weil man leicht Leute kennenlernen kann.“Das Team hat in Münster drei Konzerte gestaltet. Schyra resümiert: „Die Leute sind dankbar für die Musik, sie machen auf diese Weise gute Erfahrungen mit Gott und der Kirche.“
Warum tun sich die Musiker aus Ravensburg die Strapazen an, schlafen auf Luftmatratzen, sind zwei Tage lang unterwegs – und das alles für den sprichwörtlichen Gotteslohn? „Wir glauben, dass die christlichen Werte eine gescheite Grundlage im Glauben brauchen – und daran helfen wir mit!“
Auf Werte pocht in Münster beispielsweise Volker Kauder (CDU). Er übt heftige Kritik an einer mangelnden Religionsfreiheit in islamischen Staaten. Die Unterdrückung religiöser Minderheiten in Ländern, in denen der Islam Staatsreligion ist, sei massiv. Kauder bedauert, dass in islamischen Staaten höchste religiöse Autoritäten aus Furcht vor Säkularisierung und Relativismus die Religion über den Staat stellten und damit den liberalen Weg des Westens verhindern wollten.
Schepers will offene Diskussion
Oder der Essener Weihbischof Ludger Schepers: Er fordert für die eigene Kirche Werte, Wertschätzung und Respekt ein, wenn er sich für einen neuen Umgang mit Schwulen und Lesben ausspricht. Die Kirche müsse „ihre Schuldgeschichte anerkennen in der Verfolgung und Missachtung dieser Menschen“. Er wünsche sich, „dass es darüber eine offene Diskussion in der Deutschen Bischofskonferenz, aber auch bei unseren Kontakten in der Weltkirche gibt“.
Damit spricht Schepers der früheren Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) aus der Seele, die mit Blick auf eine mögliche Segnung homosexueller Paare sagt: „Die Kirche darf das Sakrament der Ehe Mann und Frau vorbehalten – aber sie darf einen Segen nicht verweigern!“Die SPD-Politikerin, die Mitglied im Zentralkomitee der Deutschen Katholiken und seit Oktober mit ihrer langjährigen Lebenspartnerin verheiratet ist, äußert in diesem Zusammenhang Unverständnis, dass die Kirche „Häuser, Tiere und Motorräder“segne, aber keine homosexuellen Paare.
Münster wird aber auch als der Katholikentag in Erinnerung bleiben, auf dem der Streit zwischen den katholischen Bischöfen um die Öffnung der Eucharistie für evangelische Ehepartner in konfessionsverschiedenen Ehen eskaliert. Eckart von Hirschhausen, Kabarettist, Arzt und TV-Moderator, plädiert: „Wenn Sie die Hälfte meiner Kirchensteuer für die katholische Kirche abzwacken, geben Sie mir mit Freude eine Oblate dafür oder geben Sie mir mein Geld zurück.“Der Fernsehmoderator ist evangelisch, seine Frau Katholikin. Zwar nimmt von Hirschhausen seine Äußerung später zurück und entschuldigt sich für den Begriff „Oblate“. Doch bekräftigt der Moderator seine grundsätzliche Haltung, wenn er sagt, er halte den Streit um die Öffnung des Abendmahls für unnötig. „Wie viel Zeit und Energie verpulvern wir mit zeichenrelevanten Diskussionen?“, beklagt er. Von Hirschhausen fordert die Kirchen auf, sich stattdessen zum Beispiel verstärkt für die Bewahrung der Schöpfung einzusetzen.
Wenn der Kabarettist seine ernste Botschaft humorvoll kommuniziert, wollen der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, nicht humorlos erscheinen: Sie berichten scherzend vor Hunderten Zuhörern, dass ihre persönliche Freundschaft inzwischen auch ein Symbol für die Ökumene in Deutschland sei. So wurden sie schon gefragt, ob es sie auch einzeln gebe und nicht nur „im Doppelpack“.
Doch dahinter verbirgt sich ein ernster Hintergrund: die Angst, dass nach dem Reformationsjahr 2017 mit seinem starken ökumenischen Akzent jetzt kein Fortschritt mehr zu erwarten ist. Marx sagt daher: „Das Drängen wird größer – und ich begrüße das – und auch durch das ökumenisch geprägte Jahr 2017 steigen die Erwartungen, dass es wirklich vorangehen muss.“Was bleibt vom Katholikentag, wie wird Münster in Erinnerung bleiben? Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) besucht seit vielen Jahren Kirchen- und Katholikentage und ist sich sicher: „Dieser Katholikentag ist ein Beispiel dafür, dass das Christentum eine Religion ist, die Freude unter die Menschen bringt, sodass sie sich engagieren.“Freude, sagt der Landesvater der „Schwäbischen Zeitung“. Ob von Münster der so viel zitierte und erhoffte Frieden ausgeht, weiß auch er nicht.
„Die Kirche darf das Sakrament der Ehe Mann und Frau vorbehalten – aber sie darf einen Segen nicht verweigern!“Die frühere Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) spricht sich für einen neuen Umgang mit Schwulen und Lesben in der Kirche aus