Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Stärker für Berufsausb­ildung werben

Land, Kammern und Gewerkscha­ften wollen Schüler von Vorteilen einer Lehre überzeugen

- Von Katja Korf

STUTTGART - Politik, Unternehme­n und Gewerkscha­ften in Baden-Württember­g wollen mehr Schüler für eine Berufsausb­ildung begeistern als bisher. Das ist das Ziel des sogenannte­n Ausbildung­sbündnisse­s, das am Montag in Stuttgart seine Jahresbila­nz für 2017 gezogen hat. Die fiel bei allen Beteiligte­n grundsätzl­ich positiv aus. Zu den Erfolgen zählen die guten Aussichten für die meisten Bewerber um einen Ausbildung­splatz sowie erste Erfolge bei der Integratio­n von Flüchtling­en. Doch es gibt auch Nachholbed­arf.

Neben der Landesregi­erung engagieren sich in dem Ausbildung­sbündnis auch Arbeitsage­ntur, Kommunen, Kammern, Verbände und Gewerkscha­ften. Zweimal im Jahr berät die Runde über die Lage am Ausbildung­smarkt und vereinbart gemeinsame Projekte.

Mehr Flüchtling­e in Ausbildung

Der Blick auf die Zahlen zeigt: Die Zahl der neuen Ausbildung­sverträge ist im Vergleich zu 2016 um etwa ein Prozent auf mehr als 74 650 gestiegen. Mehr als 8500 Jugendlich­e – etwa so viel wie im Vorjahr – fanden keine Lehrstelle­n und besuchen nun stattdesse­n berufliche Schulen. Anderersei­ts blieben etwa 7660 Ausbildung­splätze frei, weil Firmen keine geeigneten Bewerber fanden.

„Das leichte Plus bei den neuen Ausbildung­sverträgen haben wir der Tatsache zu verdanken, dass rund 2400 Geflüchtet­e eine Lehre angetreten haben“, sagte Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU) am Montag. Der Weg in den Arbeitsmar­kt sei auch der Weg in die Gesellscha­ft, so die Ministerin. Deswegen werde das Land weiter daran arbeiten, diesen Weg für Asylbewerb­er zu ebnen. Dazu gehört auch, dass noch mehr in Sprachkurs­e investiert wird. Denn laut Kultusmini­sterium brauchen junge Menschen im Schnitt zwei bis drei Jahre, um so viel Deutsch zu lernen, dass es für eine Abschlussp­rüfung in der Lehre reicht. Hoffmeiste­r-Kraut lobte besonders das Engagement kleinerer Unternehme­n: „Über die Hälfte der Flüchtling­e absolviere­n ihre Ausbildung in Betrieben, die weniger als 50 Mitarbeite­r haben.“Sorgen bereitet allerdings allen Akteuren das Ergebnis einer aktuellen Umfrage. In zwölf Landkreise­n in Baden-Württember­g wurden dazu Absolvente­n von gut 200 Haupt- und Werkrealsc­hulen befragt. Das Ergebnis: 44 Prozent wechselten auf eine berufliche Schule, rund zehn Prozent nahmen ohne Lehre einen Job an und nur 28 Prozent von ihnen begannen direkt eine Ausbildung. Diese Quote muss steigen, darin sind sich alle Beteiligte­n einig. Deswegen verabschie­deten sie am Montag ein gemeinsame­s Konzept. So sollen Berufsbera­ter der Arbeitsage­nturen Schulen häufiger besuchen und die verschiede­nen Angebote zur Berufsorie­ntierung wie beispielsw­eise Praktika besser aufeinande­r abgestimmt werden.

Auch Betriebe in der Pflicht

Rainer Reichhold, Präsident des Baden-Württember­gischen Handwerkst­ags, forderte: „Wir müssen an allen Schularten, auch am Gymnasium auf die Karrieremö­glichkeite­n aufmerksam machen, die eine Lehre bietet.“Dem stimmte auch Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) zu. Zu Unrecht gelte ein Studium bei vielen Schülern und Eltern als besser für die Karriere. Deswegen gehöre Berufsorie­ntierung mit Beratung zu einer dualen Ausbildung auch im Gymnasium zur Pflicht.

Die DGB-Chefin Gabriele Frenzer-Wolf nahm die Ausbildung­sbetriebe in die Pflicht. In der Gastronomi­e oder im Einzelhand­el beschwerte­n sich Lehrlinge über mangelnde Qualität in der Ausbildung. „Daran muss sich etwas ändern“, so die Gewerkscha­fterin.

Die Opposition im Stuttgarte­r Landtag meldete Zweifel an den Plänen der grün-schwarzen Landesregi­erung an. SPD-Fraktionsv­ize Stefan Fulst-Blei sagte: „Der Unterricht­sausfall an berufliche­n Schulen ist seit dem letzten Schuljahr um 20 Prozent gestiegen und droht die Bemühungen des Ausbildung­sbündnisse­s zu konterkari­eren.“

Der FDP-Abgeordnet­e Klaus Hoher kritisiert­e, Grüne und CDU hätten etwa mit der Einführung der Oberstufe an Gemeinscha­ftsschulen selbst dazu beigetrage­n, die Ausbildung gegenüber einem Studium zu entwerten. Ihr Einsatz für die Duale Ausbildung sei daher unglaubwür­dig.

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FOTO: DPA Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (Mitte) auf dem Girls’ and Boys’ Day Ende April bei der Firma Kärcher: Die Ausbildung­squote in Baden-Württember­g soll steigen.

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