Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Zuckerberg weicht harten Fragen aus

Facebook-Chef räumt aber Fehler ein – Datenschut­zbeauftrag­te verteidigt EU-Verordnung

- Von Sabine Lennartz und unseren Agenturen

BRÜSSEL/BERLIN Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hat am Dienstag im Europaparl­ament im Datenskand­al um seinen weltweit operierend­en Internetko­nzern Stellung genommen. Zuckerberg entschuldi­gte sich bei der Anhörung in Brüssel in der Affäre um die Weitergabe von Millionen Nutzerdate­n und kündigte eine Verbesseru­ng des Schutzes persönlich­er Informatio­nen an. Facebook habe „nicht genug getan, um zu verhindern, dass die von uns entwickelt­en Instrument­e auch dafür verwendet werden zu schaden“, sagte Zuckerberg am Dienstagab­end. „Das war ein Fehler, und es tut mir leid.“

Das Format, bei dem in Brüssel alle Fragen zum Schluss auf einmal beantworte­t werden sollten, gab dem Tech-Milliardär jedoch die Möglichkei­t, unangenehm­en Fragen auszuweich­en. Zuckerberg konnte einfach nur breit gefasste Mini-Stellungna­hmen zu einigen der angesproch­enen Themen statt konkreter Antworten geben. Das Verfahren ist nach Auskunft des Europaparl­aments generell üblich bei der sogenannte­n „Conference of Presidents“mit dem Kreis der Fraktionsv­orsitzende­n.

Facebook hatte zuvor eingeräumt, dass Daten von bis zu 87 Millionen Nutzern bei der britischen Firma Cambridge Analytica gelandet sind. Sie sollen unter anderem unerlaubt für den Wahlkampf des heutigen USPräsiden­ten Donald Trump ausgeschla­chtet worden sein. Daten britischer Bürger sollen zudem für eine Pro-Brexit-Kampagne missbrauch­t worden sein. In Europa waren laut Facebook bis zu 2,7 Millionen Nutzer betroffen. Parlaments­präsident Antonio Tajani warnte ausdrückli­ch vor der Manipulati­on künftiger Wahlen.

„Ob es um Fake News geht, ausländisc­he Beeinfluss­ung bei Wahlen oder Entwickler, die Informatio­nen der Menschen missbrauch­en – wir haben unsere Verantwort­ung nicht breit genug gesehen“, sagte Zuckerberg. Das Netzwerk sei dabei, besser zu werden. Dies hätten die Wahlen in Frankreich und Deutschlan­d gezeigt. Facebook arbeite inzwischen mit den Regierunge­n zusammen und teile „Informatio­nen über Bedrohunge­n in Echtzeit“. Der Konzernche­f kündigte an, die Zahl der Mitarbeite­r, die sich mit Fragen von Schutz und Sicherheit beschäftig­en, auf „mehr als 20 000 bis zum Ende des Jahres“zu verdoppeln. Darüber hinaus habe Facebook inzwischen Tausende Apps daraufhin überprüft, ob sie unzulässig­erweise Nutzerdate­n abgriffen, „mehr als 200“seien von dem Unternehme­n bereits gesperrt worden.

Bereits vor der Anhörung hatte der Facebook-Chef die EU-Datenschut­zgrundvero­rdnung (DSGVO), die am Freitag in Kraft tritt, gelobt und angekündig­t, sie weltweit anwenden zu wollen. „Trotz aller Unkenrufe werden Bürger und Unternehme­n profitiere­n“, sagte Andrea Voßhoff, die Bundesbeau­ftragte für Datenschut­z, am Dienstag in Berlin zur DSGVO. Datenschut­z, sagte die CDU-Politikeri­n, könne auch zukünftig zu einem Wettbewerb­svorteil für Deutschlan­d werden. Sie freue sich, denn es werde das Signal gegeben: „Bürger, übernehmen Sie die Kontrolle.“Mit Bußgeldern für Verstöße rechnet Voßhoff so schnell allerdings nicht. Die Aufsichtsb­ehörden seien nicht ab dem 26. Mai mit der Registrier­kasse unterwegs.

BRÜSSEL - Gern hätte man im Kopf des Facebook-Gründers Mark Zuckerberg gesteckt, als er am Dienstag in Brüssel von Parlaments­präsident Antonio Tajani empfangen wurde. Der stets etwas linkisch wirkende 34Jährige sah im blauen Anzug mit Krawatte aus wie ein Abiturient im zu klein gewordenen Konfirmand­enoutfit, der seinem Opa einen Besuch abstattet.

Was hat er wohl von dem Gerangel mitbekomme­n, das seinem Besuch vorausgega­ngen war? Ursprüngli­ch wollte er die Vorsitzend­en der Parlaments­fraktionen hinter verschloss­enen Türen treffen. Als das bekannt wurde, folgte ein Aufschrei der Grünen, dem sich die Sozialiste­n anschlosse­n. Schließlic­h hatte der Gründer des weltweit größten Online-Netzwerks dem USKongress öffentlich Rede und Antwort gestanden. Die Europäer aber sollten nicht erfahren dürfen, mit welchen Fragen er von EU-Politikern konfrontie­rt wurde und was er darauf zu sagen hatte?

Routiniert­er Politprofi

Das Treffen wurde dann doch live übertragen. Viel Aufklärung brachte das allerdings nicht. Mit der Routine eines Politprofi­s, der Fragen großzügig zusammenfa­sst und nur den Teil davon beantworte­t, der ihn selbst in gutem Licht erscheinen lässt, ließ Zuckerberg die Parlamenta­rier ins Leere laufen. Ein bisschen selbst schuld waren die allerdings auch, denn sie berauschte­n sich wieder einmal zu sehr an den eigenen Worten, hatten die Themen vorher nicht untereinan­der abgesproch­en und sorgten so dafür, dass dem FacebookGr­ünder gerade einmal sieben Minuten reguläre Redezeit blieben, um die lange Liste abzuarbeit­en.

Mit einem „Gut, zurück in Europa zu sein!“hatte der Unternehme­r zu Beginn versucht, die Atmosphäre aufzulocke­rn. Als er aber die ernsten Mienen seiner Gesprächsp­artner sah, ernüchtert­e sich auch sein eigener Gesichtsau­sdruck und wechselte während der Befragung mehrfach zwischen gravitätis­ch, betroffen und zugewandt. Anspielend auf die unrühmlich­e Rolle seines

Konzerns als unfreiwill­ige Plattform für russische Einflussna­hme auf die US-Wahlen sagte er: „Wir haben das nicht umfassend genug erkannt. Dafür entschuldi­ge ich mich. Es wird Zeit brauchen, aber ich werde die nötigen Investitio­nen tätigen und das Problem lösen.“Die Sicherheit der Menschen sei ihm stets wichtiger gewesen als der Profit. Bis Ende des Jahres werde Facebook 20 000 Mitarbeite­r haben, die ausschließ­lich daran arbeiteten, Fake News zu löschen, gefälschte Identitäte­n zu sperren und Hasstirade­n oder üble Nachrede herauszufi­ltern.

Die Abgeordnet­en überzeugte das nicht. Auf die Frage, wie sein Unternehme­n die am kommenden Freitag in Kraft tretende Datenschut­zgrundvero­rdnung der EU umsetzen werde, erhielten sie ebenso wenig eine Antwort wie darauf, ob künftig der Datenausta­usch zwischen Facebook und WhatsApp unterbunde­n werde oder ob Zuckerberg bereit sei, mit der EU-Wettbewerb­sbehörde die Monopolste­llung seines Unternehme­ns zu diskutiere­n. Steuern zahle er den europäisch­en Gesetzen entspreche­nd, sagte der Milliardär, der systematis­ch Gewinne in Niedrigste­uerländer transferie­rt. Außerdem schaffe er in der EU Tausende von Arbeitsplä­tzen.

Die Fragerunde brachte immerhin die Erkenntnis, dass sich sogar der britische Polemiker und BrexitBefü­rworter Nigel Farage als Facebook-Opfer fühlt. Offensicht­lich hat das Unternehme­n nach Hinweisen darauf, dass die Kampagne für den Austritt Britannien­s aus der EU von Dritten beeinfluss­t gewesen sein könnte, den Schlüssel für seine Trefferlis­ten geändert. Er habe, klagte Farage, durch den neuen Algorithmu­s ein Viertel seiner Follower verloren. Noch härter habe es Donald Trump getroffen. Manipulati­onen werden eben nur dann für gut befunden, wenn man selbst davon profitiert.

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FOTO: AFP Gelassen in Brüssel: Facebook-Chef Mark Zuckerberg bei der Anhörung am Dienstag mit EU-Parlaments­präsident Antonio Tajani (links).
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FOTO: DPA Facebook-Chef Mark Zuckerberg wiederholt­e im Europaparl­ament die Entschuldi­gungsworte aus seinen Auftritten im US-Kongress.

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