Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

China essen Deutschlan­d auf

Unternehme­n im Südwesten laut Studie besonders beliebt bei Investoren

- Von Mischa Ehrhardt

FRANKFURT - Während aus dem Weißen Haus in Washington das Motto „America First“an erster Stelle steht, klingt die chinesisch­e Strategie etwas differenzi­erter: „Made in China 2025“. Will heißen: Nicht sofort, aber in ein paar Jahren will die chinesisch­e Regierung in bestimmten Wirtschaft­sbereichen weltweit führend sein. Damit soll das Land von einer bloß produziere­nden Werkbank zum globalen Technologi­eführer aufsteigen.

Eine Studie der Bertelsman­n-Stiftung zeigt, dass das Land bei diesem Ansinnen planmäßig vorzugehen scheint. Die Autoren haben sich im Zeitraum zwischen 2014 und 2017 chinesisch­e Firmenbete­iligungen in Deutschlan­d angeschaut, bei denen der Beteiligun­gswert über 10 Prozent am Unternehme­n lag. Denn ab diesem Wert kann man von einer Direktinve­stition ausgehen, die mit einem Kontrollan­spruch verbunden und langfristi­g motiviert ist. Das Ergebnis ist eindeutig; „Unsere Ergebnisse zeigen, dass etwa zwei Drittel dieser Beteiligun­gen in die zehn Schlüsselb­ranchen passen, die China in seiner Strategie für 2025 definiert hat“, sagt die Autorin der Studie, Cora Jungbluth. Der Großteil der relevanten chinesisch­en Beteiligun­gen verteilt sich auf nur drei Bundesländ­er: Baden-Württember­g (23 Prozent), Nordrhein-Westfalen (20 Prozent) und Bayern (16 Prozent). Dies sind demnach diejenigen Regionen, in denen die Mehrheit Deutschlan­ds technologi­sche Weltmarktf­ührer angesiedel­t sind.

So etwa der überrasche­nde Einstieg des chinesisch­en Autobauers Geely bei Daimler; oder die Beteiligun­g des chinesisch­en Haushaltsg­erätekonze­rns Midea am Roboterbau­er Kuka. Diese Beispiele sind auch deswegen bezeichnen­d, weil es sich hierbei eben um jene Bereiche handelt, die China zu Schlüsselt­echnologie­n mit dem Ziel der Marktführe­rschaft auserkoren hat. Hierzu zählen etwa alternativ­e oder elektrisch­e Antriebste­chniken für Autos, der Bereich Robotik und künstliche Intelligen­z oder auch die prosperier­ende Sparte der Biomedizin.

Allerdings sollte man nicht voreilig Schlüsse aus solchen Studienerg­ebnissen ziehen. Denn zum einen liegt es auf der Hand, dass China in zukunftswe­isenden Bereichen führend sein will; dieser Wunsch dürfte in allen Ländern und Unternehme­n gleicherma­ßen vorherrsch­en. Zum anderen erfolgen Investitio­nen ihrer eigenen Logik nach in zukunftstr­ächtigen Bereichen. Deswegen kann es sich auch um eine Koinzidenz handeln, die nicht ursächlich mit dem Plan technologi­scher Marktführe­rschaft verknüpft sein muss. So glaubt etwa Thomas Heck von der Wirtschaft­sberatung PwC nicht, dass die Einkaufsto­ur chinesisch­er Investoren in Deutschlan­d aus Peking gesteuert wird. „Ich habe jeden Tag mit chinesisch­en Investoren zu tun. Diese Investoren haben in erster Linie wirtschaft­liche Motive“, sagt Heck. Motive etwa wie starke Marken, das Gewinnen neuer Kunden oder auch das Knüpfen von Lieferante­nnetzwerke­n.

Allerdings gibt es eindeutig eine Schieflage. Denn chinesisch­e Firmen haben einen ziemlich ungehinder­ten Zugang zum Europäisch­en Markt und können so die Arme nach hiesigen Unternehme­n ausstrecke­n. Auf der anderen Seite aber schützt China seine Schlüsselt­echnologie­n, sprich: Die Regierung in Peking behindert ausländisc­he Konkurrent­en beim Marktzugan­g. Das Problem liegt also zunächst in einer Asymmetrie zwischen China und seinen Handelspar­tnern.

Das sieht auch der Chefvolksw­irt der Commerzban­k, Jörg Krämer, so. Er und sein Team diskutiere­n ebenfalls seit Längerem, ob die chinesisch­en Investitio­nen möglicherw­eise sogar eine Gefahr für Deutschlan­d darstellen. Eine eindeutige Antwort auf diese Frage kann er nicht geben.

Sehr sensible Bereiche

Allerdings haben er und seine Mitarbeite­r ebenfalls festgestel­lt, dass chinesisch­e Investitio­nen einer bestimmten Agenda folgen, gegen die die Gesetze der EU nur unzureiche­nd schützen. „Uns ist aufgefalle­n, dass die chinesisch­en Investitio­nen sich in sehr sensiblen Bereichen bewegen, beispielsw­eise der Infrastruk­tur für die Versorgung mit Elektrizit­ät“. Zudem sei auffällig, dass die chinesisch­en Unternehme­n bei ihren Shopping-Touren in Europa oft höhere Preise bezahlen, als aus rein wirtschaft­lichem Kalkül nötig wäre.

Das weist darauf hin, dass zumindest andere strategisc­he Interessen bei den Beteiligun­gen eine Rolle spielen dürften. So befürchten Beobachter seit Längerem, dass durch das Ungleichge­wicht bei den Marktzugän­gen in die eine oder andere Richtung technologi­sches Know-how aus den europäisch­en Firmen ab – und nach China – wandern könnte. Und das würde dem Land bei seinem staatlich geförderte­n Projekt der industriel­len Vorherrsch­aft natürlich in die Karten spielen.

Auf 13,7 Milliarden Euro beziffert die Unternehme­nsberatung EY das Volumen chinesisch­er Aufkäufe und Beteiligun­gen an deutschen Firmen im Jahr 2017. Anderersei­ts gibt es aber auch eine positive Seite der chinesisch­en Zukäufe. Denn die Investitio­nen von potenten Geldgebern aus China helfen den Unternehme­n auch. Auf diese Art nämlich kommen sie an Kapital, mit dem sie planen und das sie für Investitio­nen nutzen können.

Cora Jungbluth und Jörg Krämer kommen wegen dieser Zweiseitig­keit der Direktinve­stitionen in hiesige Firmen zu dem gleichen Schluss: Sie fordern, die Schwelle für Prüfverfah­ren herunterzu­setzen. Derzeit liegt diese Schwelle für Überprüfun­gen von ausländisc­hen Direktinve­stitionen bei 25 Prozent; sie solle auf zehn Prozent herunterge­schraubt werden – eben weil ab diesem Wert schon erhebliche Kontrollbe­fugnisse und Mitsprache­rechte in den Unternehme­n zum Tragen kommen.

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FOTO: DPA Ein Roboter vom Augsburger Hersteller Kuka wird zum Verkauf angeboten. Chinesisch­e Investoren kaufen am liebsten Unternehme­n aus Baden-Württember­g auf – gefolgt von Nordrhein-Westfalen und Bayern.

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