Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Wenn der Name des Nachbarn nicht mehr einfällt
Pflegedienstleiterin hält Vortrag zum Thema Demenz – Medizinische Möglichkeiten der Behandlung
PFULLENDORF (sz) - Das Thema Demenz hat sich das Seniorenforum, eine Arbeitsgruppe aus Frauen und Männern, die hauptberuflich oder im Ehrenamt mit älteren Menschen zu tun haben, für das Jahr 2018 auf die Fahne geschrieben. Unter der Federführung der städtischen Seniorenbeauftragten Ruth Schuttkowski ist eine Reihe von Veranstaltungen geplant, darunter Vorträge und Schulungen, beispielsweise für Mitarbeiter im Einzelhandel, aber auch kulturelle Angebote wie Lesung, Film oder Theater. Den Anfang machte das Netzwerk 50 plus, ein politisch wie kirchlich unabhängiger Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, ältere Menschen mit Freizeitangeboten für die unterschiedlichsten Interessen vor dem unfreiwilligen Alleinsein zu bewahren.
Das Netzwerk 50 plus konnte Sabine Jehle, Pflegedienstleiterin der Spitalpflege, als Referentin gewinnen. Sie sprach vor etwa 80 Besuchern im Gasthaus „Deutscher Kaiser“etwa eine Stunde lang zum Thema „Wenn das Gedächtnis nachlässt“, beantwortete Fragen und stand anschließend auch noch für Einzelgespräche zur Verfügung.
Sabine Jehle gestaltete ihren Vortrag, der sich ausdrücklich nicht an pflegende Angehörige, die sich bereits auskennen, richtete, sondern an Menschen, die sich informieren wollten, trotz des brisanten und berührenden Themas kurzweilig und unterhaltsam. Sie klärte über den Aufbau und die Funktion des menschlichen Gehirns auf, sprach über die verschiedenen Formen der Demenz und die medizinischen Möglichkeiten der Behandlung, garnierte ihren Vortrag zur besseren Verdeutlichung mit Beispielen für normale Vergesslichkeit und für Demenz, gab Tipps für den Umgang mit demenzerkrankten Menschen und machte vor allem Mut. Mut denjenigen, die eine Demenzerkrankung fürchten, weil ihnen der Name des Nachbarn auf die Schnelle nicht eingefallen ist, oder die nicht mehr wussten, wo sie zuletzt den Schlüssel hingelegt hatten. „Beides kein Zeichen einer Demenz“, beruhigte Jehle. „Demenz ist, wenn sich nach und nach der Erfahrungsschatz des Lebens auslöscht und das Gehirn nicht mehr auf erworbene Erfahrungen zurückgreifen kann, wenn man beispielsweise nicht mehr weiß, dass man sich warm anziehen muss, wenn draußen Schnee liegt oder wie man sich angemessen benimmt.“
Schwierig für die Angehörigen
Sie machte aber auch Mut für den Fall, dass eine Demenzerkrankung eintritt oder eingetreten ist. Man könne das Fortschreiten einer Demenz in vielen Fällen medikamentös verhindern und es dauere eine Zeit, bis schwerere Formen auftreten. Bis dahin könne man mit Demenz leben. Schwieriger sei der Umgang mit Demenzkranken für die Angehörigen. Für sie sei es oftmals unverständlich, dass sich der Erkrankte, der ein Leben lang „normal“gewesen sei, nicht mehr angemessen verhalte oder verbal äußere. Gerade zwischen alten Ehepaaren könne es deshalb zu schweren Krisen kommen, wenn einer an Demenz erkranke und sich charakterlich verändere.
Auch auf das Sich zurückziehen vom Umfeld oder die Depression, beides Symptome, die häufig mit einer Demenz verbunden seien, ging Jehle ein. „Stellen Sie sich auf die Zeit, in der der Erkrankte in seinem Kopf lebt, ein, er kann sich nicht auf die Gegenwart einstellen“, riet sie Menschen, die Umgang mit Demenzkranken haben, immer wieder. Oder: „Stellen Sie keine W-Fragen wie wer, welche oder warum, solche Fragen können die Erkrankten nicht beantworten.“