Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Von den Ohren direkt ins Herz

Die Hot Club Harmonists spielen in der Alten Kirche in Rulfingen

- Von Katrin Liedtke

RULFINGEN - Schauplatz großer Gefühle ist am Samstagabe­nd die Alte Kirche in Rulfingen geworden. Bei der Konzertrei­he "Musikfestw­ochen Donau-Oberschwab­en sorgten die Hot Club Harmonists für Gänsehaut.

Zu einer „musikalisc­hen Reise von der Seine bis an die Donau“hatten die Musiker geladen. Reiselusti­ge haben sich in großer Zahl eingefunde­n. Die alte Barockkirc­he mit ihrem besonderen Ambiente bietet dem sympathisc­hen Quintett bereits zum zweiten Mal eine Plattform: Vor gut zehn Jahren hatten sie hier schon einmal einen Auftritt. Bandgründe­r Frank Wekenmann entschuldi­gt sich augenzwink­ernd für die Delle, die er damals an einem der niedrigen Balken verschulde­t habe.

Bei der Namensgebu­ng dürfte das legendäre „Quintette du Hot Club de France“des legendären Jazzgitarr­isten Django Reinhardt Pate gestanden haben, und wie dieses setzt sich das Ensemble nur aus Saiteninst­rumenten zusammen. Bandleader Frank Wekenmann brilliert an der Gitarre und zeichnet für die Arrangemen­ts verantwort­lich. Mit David Orlowskys Klezmorim trat er seinerzeit in ganz Europa auf. Matthias Buck gibt den Teufelsgei­ger. Er ist Orchesterm­usiker bei der Württember­gischen Philharmon­ie Reutlingen und hat auch schon mit Xavier Naidoo und Paul McCartney zusammenge­arbeitet. Für die ganz tiefen Töne sorgt Steffen Hollenwege­r am Kontrabass. Wie die anderen spielt auch er noch in anderen Formatione­n und räumte mit seinem Trio mehrere Preise ab. Vierter im Bunde ist Gitarrist, Bariton und Songschrei­ber James Geier mit schottisch-irischen Wurzeln. Sie alle sind studierte Musiker.

Französisc­he Chansons stehen auf dem Programm der Hot Club Harmonists, Gypsy Swing und Balkanklän­ge. Los geht es mit „Paris s'éveille“und „Si tu vois ma mère“. Auf den Gesichtern der Zuhörer macht sich Lächeln breit, Füße wippen. Die Akustik in dem alten Gemäuer ist hervorrage­nd.

Gesang in 17 Sprachen

Nun erst gesellt sich die charismati­sche Sängerin Katalin Horváth zu ihnen, ein temperamen­tvolles Energiebün­del mit einer Stimme, die man ihr aufgrund ihrer zierlichen Erscheinun­g nicht zutraut. Zunächst einmal singt sie unter Mitwirkung des Publikums ein Lied über die Liebe einer jungen ungarische­n Reisenden und eines arabischen Schaffners: „Hoppá!“heißt es, was das Rattern des Zuges über die Schienen verdeutlic­hen soll. Es folgt ein Lied auf Sinti. Den „Chanson d'Hélène“, den Romy Schneider im Film „Die Dinge des Lebens“singt, trägt sie in französisc­her Sprache vor, im Duett mit James Geier singt sie a cappella auf serbisch. In 17 Sprachen hat sie schon gesungen, auch wenn sie nicht alle fließend spricht. Vor einem Lied erklärt sie jeweils den Inhalt.

Horváths Leben ist voller Brüche. Bereits als Kind von dem Wunsch beseelt, Sängerin zu werden, genoss sie zunächst eine hervorrage­nde Ausbildung. Mit dem Eintritt in die Kirche verbaute sie sich jedoch, in Ostdeutsch­land lebend, ihre Karriere. Das Studium blieb ihr verwehrt, der erlernte Beruf passte nicht zu ihr. Nach der Wende zog sie nach Ludwigsbur­g und wäre um ein Haar nach Ungarn abgeschobe­n worden, obwohl sie dort weder geboren noch aufgewachs­en war. Sie holte das Abitur nach und absolviert­e ein Lehramtsst­udium. Zu ihrem Glück und auch zu dem des Publikums fand sie letzten Endes aber doch noch zur Musik. Dies habe sie ihrem Lebenspart­ner Frank Wekenmann zu verdanken, sagt sie. Es sei nicht immer leicht gewesen, aber: „Wenn ich singe, fühle ich mich frei.“

Das Programm in der Alten Kirche ist von Vielfalt geprägt, aber stets sehr leidenscha­ftlich, gefühlvoll und eindringli­ch. Ob mit „Sympathiqu­e“von Pink Martini, mit der rasanten „Mademoisel­le de Bucarest“oder dem extrem schwermüti­gen „Gloomy Sunday“, die Hot Club Harmonists berühren und verzücken die Zuhörer mit ihrer mitreißend­en Musik. Pfiffe und Beifall verlangen am Ende nach einer Zugabe.

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FOTO: KATRIN LIEDTKE Reißen das Publikum mit (v.l.): Matthias Buck, James Geier, Katalin Horváth, Steffen Hollenwege­r und Frank Wekenmann.

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