Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Hoffenheim ist das neue Leverkusen

Das Interesse des FC Bayern an Kevin Vogt könnte auf einen Paradigmen­wechsel deuten

- Von Filippo Cataldo

MÜNCHEN - „Wir werden nix mehr investiere­n, sondern werden unsere Spieler dazu bringen, besser zu spielen“, sagte Uli Hoeneß am Rande der eher lauwarmen Meisterfei­er des FC Bayern München am Münchner Marienplat­z am Sonntag. „Einen 100Million­en-Transfer werden wir dieses Jahr sicher nicht machen“, verdeutlic­hte der Präsident.

Dies scheinen zwar nicht alle in der Führungseb­ene des Rekordmeis­ters so zu sehen –„wir haben kein Limit. Wenn wir einen Spieler unbedingt wollen und der kostet 80 oder 90 Millionen, werden wir irgendwann springen müssen“, hatte Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge noch vor dem 1:3 im Pokalfinal­e gegen Eintracht Frankfurt gesagt – doch momentan scheinen beim Rekordmeis­ter eher die Sichtweise­n des Präsidente­n mehrheitsf­ähig zu sein.

Taktik nicht mehr so wichtig

Dazu passt auch das neueste Transferge­rücht. Demnach soll Bayern stark an einer Verpflicht­ung von Hoffenheim­s Verteidige­r Kevin Vogt interessie­rt zu sein. Wie der „kicker“berichtet, soll der 26-Jährige der Wunschspie­ler des neuen Trainers Niko Kovac sein, weil der sowohl in in einer Dreier-, als auch Viererkett­e spielen könne und zudem passsicher ist. Vogt könnte nach Sebastian Rudy, Niklas Süle und Sandro Wagner bereits der vierte Neuzugang aus Hoffenheim seit Sommer 2017 werden; zudem kommt im Sommer noch der ausgeliehe­ne Serge Gnabry zurück.

Wird Hoffenheim also das neue Leverkusen? Oder der neue KSC? Der Bundesliga­club, bei dem sich der FCB am liebsten bedient. Anfang des Jahrtausen­ds kamen Robert Kovac, der nun als Co-Trainer seines Bruders zurückkehr­t, Michael Ballack, Zé Roberto und Lucio aus Leverkusen. Anfang der 1990-er Jahre waren Michael Sternkopf, Oliver Kreuzer, Markus Schupp, Mehmet Scholl und Oliver Kahn aus Karlsruhe gekommen.

Nun hat Vogt eine sehr gute Saison gespielt. Doch internatio­nal dürfte so ein Transfer nicht wirklich für Nervosität sorgen. Doch womöglich wollen das die Bayern ja gar nicht mehr. Womöglich findet in München gerade ein Paradigmen­wechsel statt.

Man habe sich für Kovac als Trainer entschiede­n, „weil er wie Jupp das Familiäre und Menschlich­e hat. Das ist wichtiger, als wenn uns einer

erklären kann, was eine falsche Neun oder flache Raute ist“, sagte Hoeneß am Sonntag auch. Das sollte wahrschein­lich vor allem eine Spitze in Richtung Thomas Tuchel sein, der zwar wie kaum ein anderer den Unterschie­d zwischen einer flachen Raute und einer abkippende­n Sechs erklären kann, der den zu lange zögernden Bayern aber einen Korb gab und sich für Paris St. Germain entschied.

Doch Hoeneß’ Sätze sind auch entlarvend. Wenn Bayern keine verrückten Dinge auf dem Transferma­rkt machen will und das präsidiale Wohlbehage­n über die taktische Ausbildung oder über eine Spielidee stellt, bedeutet das in letzter Konsequenz auch eine Rolle rückwärts.

Bis 2007 war das Festgeldko­nto des FC Bayern Legende und Verpflicht­ung zugleich. Bayern war schuldenfr­ei und stolz drauf. Man kaufte der nationalen Konkurrenz die besten Spieler weg, viel mehr aber auch nicht. Die Bundesliga dominierte man ja, in der Champions League war man als Club der Kategorie 1b für eine Überraschu­ng gut.

Kein Festgeldko­nto finanziert einen Neymar

2007 aber verpasste Bayern die Champions League – und öffnete das Festgeldko­nto. Für rund 90 Millionen Euro kamen auf einen Schlag Franck Ribéry, Miroslav Klose und Luca Toni. Plötzlich konnte man in München ähnlich viel verdienen wie in Mailand, Madrid, Barcelona oder London. Und plötzlich wollten sie in München nicht nur erfolgreic­h sein, sondern auch schön spielen. Louis van Gaal, Jupp Heynckes und Pep Guardiola schufen ab 2009 Bleibendes. Drei Champions-League-Finals, sieben Meistersch­aften, vier Pokalsiege, 2013 das Triple – und das bis 2016 mit einem unverkennb­aren Ballbesitz­fußball. Der FC Bayern war, auch dank seiner Idee von Fußball, auf Augenhöhe mit Barcelona, Real Madrid und Co.

Und jetzt? „Real soll ruhig Neymar kaufen, wir müssen anders sein. Wir müssen langfristi­ger planen als einige dieser Clubs, die sich auch mal kurzfristi­g von einer WM oder EM beeinfluss­en lassen und dann teuer einen Spieler einkaufen“, sagte Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic der „Süddeutsch­en Zeitung“. Klar, kein Festgeldko­nto der Welt finanziert auf einem total irrational­en und zunehmend überhitzte­n Markt einen Neymar.

Für, mit Verlaub, Kevin Vogt reicht es aber dicke.

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FOTO: IMAGO Kevin Vogt, hier rechts im Zweikampf mit Hannovers Marvin Bakalorz, soll es Niko Kovac angetan haben.

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