Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
„Ich entschied, so lange zu reisen wie das Geld reicht“
Imke Irmler aus Hohentengen lebt schon seit 26 Jahren in der Nähe von Buenos Aires in Argentinien
HOHENTENGEN/BUENOS AIRES - In ihrer ersten Nacht in der Millionenstadt Buenos Aires dachte Imke Irmler 1992, sie würde nie mehr schlafen können. „Alles war so laut und voller Autos“, sagt sie. „Aber man gewöhnt sich an alles.“Imke Irmler ist geblieben. Allerdings wohnt sie heute in einem ruhigeren Vorort von Buenos Aires. In Hohentengen, wo sie in der Sportplatzstraße aufgewachsen ist, ist sie zuletzt vor zwei Jahren gewesen. „Deutschland vermisse ich nicht, aber meine Eltern würde ich gern öfter sehen“, sagt sie.
Mit 23 Jahren ist Imke Irmler zum ersten Mal nach Argentinien gereist. „Ich habe das Gymnasium Bad Saulgau nach der zehnten Klasse verlassen und Erzieherin geworden“, erzählt sie. Nach einer Zeit in einem Kindergarten in Berg und zwei Jahren als Kindergartenleiterin in Laimnau habe sie Sozialpädagogik studieren wollen. „Aber vorher habe ich nach einer Praktikumsstelle für ein soziales Jahr im Ausland gesucht“, sagt sie. 1989 seien solche sozialen Engagements noch nicht so organisiert worden wie heute. Irmler hörte von einem Pfarrer aus Deutschland, der armen Familien in einem argentinischen Dorf, das regelmäßig überschwemmt werde, helfe. „Den wollte ich ein Jahr lang unterstützen und sollte im Gemeindehaus leben.“
Vor Ort musste sie aber eine herbe Enttäuschung erleben. Entgegen seiner Aussagen bei Deutschlandbesuchen verwendete der Pfarrer die Spenden nicht für die armen Familien, sondern baute damit eine Kapelle und finanzierte das kirchliche Leben. „Ich sollte ihm als Mesmerin zur Hand gehen.“So hatte sich die junge Frau ihren Einsatz in Argentinien aber nicht vorgestellt. „Nach drei Wochen war klar, dass ich dort nicht bleiben wollte, um ihn bei seinem Betrug auch noch zu unterstützen“, sagt sie. Kleinlaut wieder nach Hause zu fahren sei für sie aber auch nicht infrage gekommen. „Also entschied ich, so lange zu reisen, wie mein Geld reicht.“
Ihre Eltern daheim in Hohentengen bekamen sicherlich einen Schock, als sie davon erfuhren, dass ihre Tochter die Obhut des Pfarrers Was macht eigentlich... Imke Irmler
„Wenn ich hier etwas aus Deutschland vermisse, dann vor allem das Brot“,
verlassen hatte. „Aber damals war der Kontakt über die Distanz nicht so einfach und meine Briefe kamen immer mit einiger Verzögerung an“, sagt Irmler.
Am Ende reichte das Geld sogar für das ganze Jahr. „Das lag einmal an der Hyperinflation, die genau in die Zeit meines Besuchs fiel. Ich konnte mit meinen Dollars lange auskommen.“Außerdem sei sie vielen gastfreundlichen Menschen begegnet, die sie stets gern bei sich aufgenommen hätten. So konnte sie schließlich mit einem Ehepaar zwei Monate in einem Elendsviertel arbeiten. „Das war das, was ich wollte und ich habe viele wichtige Erfahrungen dort mitgenommen“, sagt sie. Auch ihren heutigen Ehemann Mauro Bermeo hat sie auf dieser Reise kennengelernt. Der war drei Jahre jünger als sie und Musikstudent. „Als das Jahr um war, wusste ich, dass ich wiederkommen und mit Mauro hier leben will.“
Wieder in Deutschland absolvierte sie statt eines Studiums die Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin mit den Sprachen Spanisch sagt Imke Irmler. und Englisch. „Ich wollte in Argentinien ja auch arbeiten können.“Mauro folgte ihr nach Deutschland, sie heirateten und zogen schließlich 1992 nach Abschluss ihrer Ausbildung nach Buenos Aires. Imke Irmler fand Arbeit bei der Schifffahrtsgesellschaft Hamburg Süd, für die sie 15 Jahre lang im Büro arbeitete. „Eigentlich gar nicht so mein Ding, aber ich habe ganz gut verdient und konnte damit so meine Familie ernähren.“Ihr Mann beendete sein Studium und arbeitete als Musiklehrer. Außerdem hat er mit seiner Band viele Auftritte.
„Als unsere Tochter 1995 geboren wurde, sind wir in einen kleineren Ort zwischen Buenos Aires und La Plata gezogen, dort haben wir ein Grundstück gekauft und gebaut.“Heute sind ihre Kinder 23, 19 und 16 Jahre alt. „Meine Arbeit in Buenos Aires konnte ich vor zehn Jahren aufgeben“, erzählt Irmler. „Ich habe mir den Traum erfüllt, eigene Yoga-Kurse anzubieten.“Das mache sie in Räumen auf dem eigenen Grundstück. „Ich musste mich natürlich
„In wirtschaftlich unsicheren Zeiten lernt man, mit wenig glücklich zu sein“,
erst etablieren und es sind mal mehr und mal weniger Teilnehmer, sodass ich insgesamt weniger verdiene“, sagt sie. „Aber ich habe unheimlich an Zufriedenheit gewonnen und das ist uns viel wichtiger.“
Zumal die wirtschaftliche Lage in Argentinien gerade nicht besonders rosig sei. „Die Inflation ist hoch und man weiß nicht, ob Erspartes in Zukunft noch etwas Wert sein wird.“Sie habe gelernt, mit weniger glücklich zu sein. „Die Einstellung verändert sich einfach.“
Im Schnitt ist Imke Irmler in der Vergangenheit alle fünf Jahre einmal in Deutschland gewesen. Ihre Kinder hätten in Hohentengen vor allem gefallen daran gefunden, dass sie allein zum Spielplatz oder nachts auf die Straße gehen konnten. „Die Sicherheitslage ist hier eine ganz andere“, sagt Irmler. Sie hole ihre Kinder stets mit dem Auto von der Bushaltestelle ab, wenn sie im Dunkeln nach der Uni aus La Plata heimkommen. „Ich selbst freue mich dann immer auf vernünftiges Brot.“Kässpätzle und Braten kommen bei ihr auch in Argentinien auf den Tisch. sagt Imke Irmler. Wer gern mehr über die Band Parra Ultravioleta von Imke Irmlers Mann Mauro Bermeo erfahren möchte, kann sich im Internet diese Seiten ansehen: