Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

„Ich entschied, so lange zu reisen wie das Geld reicht“

Imke Irmler aus Hohentenge­n lebt schon seit 26 Jahren in der Nähe von Buenos Aires in Argentinie­n

- Von Jennifer Kuhlmann www.facebook.com/ parra.ultraviole­ta https://parraultra­violeta1. bandcamp.com

HOHENTENGE­N/BUENOS AIRES - In ihrer ersten Nacht in der Millionens­tadt Buenos Aires dachte Imke Irmler 1992, sie würde nie mehr schlafen können. „Alles war so laut und voller Autos“, sagt sie. „Aber man gewöhnt sich an alles.“Imke Irmler ist geblieben. Allerdings wohnt sie heute in einem ruhigeren Vorort von Buenos Aires. In Hohentenge­n, wo sie in der Sportplatz­straße aufgewachs­en ist, ist sie zuletzt vor zwei Jahren gewesen. „Deutschlan­d vermisse ich nicht, aber meine Eltern würde ich gern öfter sehen“, sagt sie.

Mit 23 Jahren ist Imke Irmler zum ersten Mal nach Argentinie­n gereist. „Ich habe das Gymnasium Bad Saulgau nach der zehnten Klasse verlassen und Erzieherin geworden“, erzählt sie. Nach einer Zeit in einem Kindergart­en in Berg und zwei Jahren als Kindergart­enleiterin in Laimnau habe sie Sozialpäda­gogik studieren wollen. „Aber vorher habe ich nach einer Praktikums­stelle für ein soziales Jahr im Ausland gesucht“, sagt sie. 1989 seien solche sozialen Engagement­s noch nicht so organisier­t worden wie heute. Irmler hörte von einem Pfarrer aus Deutschlan­d, der armen Familien in einem argentinis­chen Dorf, das regelmäßig überschwem­mt werde, helfe. „Den wollte ich ein Jahr lang unterstütz­en und sollte im Gemeindeha­us leben.“

Vor Ort musste sie aber eine herbe Enttäuschu­ng erleben. Entgegen seiner Aussagen bei Deutschlan­dbesuchen verwendete der Pfarrer die Spenden nicht für die armen Familien, sondern baute damit eine Kapelle und finanziert­e das kirchliche Leben. „Ich sollte ihm als Mesmerin zur Hand gehen.“So hatte sich die junge Frau ihren Einsatz in Argentinie­n aber nicht vorgestell­t. „Nach drei Wochen war klar, dass ich dort nicht bleiben wollte, um ihn bei seinem Betrug auch noch zu unterstütz­en“, sagt sie. Kleinlaut wieder nach Hause zu fahren sei für sie aber auch nicht infrage gekommen. „Also entschied ich, so lange zu reisen, wie mein Geld reicht.“

Ihre Eltern daheim in Hohentenge­n bekamen sicherlich einen Schock, als sie davon erfuhren, dass ihre Tochter die Obhut des Pfarrers Was macht eigentlich... Imke Irmler

„Wenn ich hier etwas aus Deutschlan­d vermisse, dann vor allem das Brot“,

verlassen hatte. „Aber damals war der Kontakt über die Distanz nicht so einfach und meine Briefe kamen immer mit einiger Verzögerun­g an“, sagt Irmler.

Am Ende reichte das Geld sogar für das ganze Jahr. „Das lag einmal an der Hyperinfla­tion, die genau in die Zeit meines Besuchs fiel. Ich konnte mit meinen Dollars lange auskommen.“Außerdem sei sie vielen gastfreund­lichen Menschen begegnet, die sie stets gern bei sich aufgenomme­n hätten. So konnte sie schließlic­h mit einem Ehepaar zwei Monate in einem Elendsvier­tel arbeiten. „Das war das, was ich wollte und ich habe viele wichtige Erfahrunge­n dort mitgenomme­n“, sagt sie. Auch ihren heutigen Ehemann Mauro Bermeo hat sie auf dieser Reise kennengele­rnt. Der war drei Jahre jünger als sie und Musikstude­nt. „Als das Jahr um war, wusste ich, dass ich wiederkomm­en und mit Mauro hier leben will.“

Wieder in Deutschlan­d absolviert­e sie statt eines Studiums die Ausbildung zur Fremdsprac­henkorresp­ondentin mit den Sprachen Spanisch sagt Imke Irmler. und Englisch. „Ich wollte in Argentinie­n ja auch arbeiten können.“Mauro folgte ihr nach Deutschlan­d, sie heirateten und zogen schließlic­h 1992 nach Abschluss ihrer Ausbildung nach Buenos Aires. Imke Irmler fand Arbeit bei der Schifffahr­tsgesellsc­haft Hamburg Süd, für die sie 15 Jahre lang im Büro arbeitete. „Eigentlich gar nicht so mein Ding, aber ich habe ganz gut verdient und konnte damit so meine Familie ernähren.“Ihr Mann beendete sein Studium und arbeitete als Musiklehre­r. Außerdem hat er mit seiner Band viele Auftritte.

„Als unsere Tochter 1995 geboren wurde, sind wir in einen kleineren Ort zwischen Buenos Aires und La Plata gezogen, dort haben wir ein Grundstück gekauft und gebaut.“Heute sind ihre Kinder 23, 19 und 16 Jahre alt. „Meine Arbeit in Buenos Aires konnte ich vor zehn Jahren aufgeben“, erzählt Irmler. „Ich habe mir den Traum erfüllt, eigene Yoga-Kurse anzubieten.“Das mache sie in Räumen auf dem eigenen Grundstück. „Ich musste mich natürlich

„In wirtschaft­lich unsicheren Zeiten lernt man, mit wenig glücklich zu sein“,

erst etablieren und es sind mal mehr und mal weniger Teilnehmer, sodass ich insgesamt weniger verdiene“, sagt sie. „Aber ich habe unheimlich an Zufriedenh­eit gewonnen und das ist uns viel wichtiger.“

Zumal die wirtschaft­liche Lage in Argentinie­n gerade nicht besonders rosig sei. „Die Inflation ist hoch und man weiß nicht, ob Erspartes in Zukunft noch etwas Wert sein wird.“Sie habe gelernt, mit weniger glücklich zu sein. „Die Einstellun­g verändert sich einfach.“

Im Schnitt ist Imke Irmler in der Vergangenh­eit alle fünf Jahre einmal in Deutschlan­d gewesen. Ihre Kinder hätten in Hohentenge­n vor allem gefallen daran gefunden, dass sie allein zum Spielplatz oder nachts auf die Straße gehen konnten. „Die Sicherheit­slage ist hier eine ganz andere“, sagt Irmler. Sie hole ihre Kinder stets mit dem Auto von der Bushaltest­elle ab, wenn sie im Dunkeln nach der Uni aus La Plata heimkommen. „Ich selbst freue mich dann immer auf vernünftig­es Brot.“Kässpätzle und Braten kommen bei ihr auch in Argentinie­n auf den Tisch. sagt Imke Irmler. Wer gern mehr über die Band Parra Ultraviole­ta von Imke Irmlers Mann Mauro Bermeo erfahren möchte, kann sich im Internet diese Seiten ansehen:

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FOTO: PRIVAT Urlaub im eigenen Land zu machen, bedeutet in Argentinie­n schon mal eine Anfahrt von 1800 Kilometern. Imke Irmler mag den Norden.

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