Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Schwende wird ein Staat im Kleinformat
Im Zeltlager im Deggenhausertal schaffen Jugendliche diesen Sommer ein demokratisches System
DEGGENHAUSERTAL - Für zwei Wochen wird diesen Sommer im Deggenhausertal ein kleiner Staat ausgerufen. Das Zeltlager Schwende, das immer auf einer Waldlichtung bei Fuchstobel errichtet wird, soll in der Freizeit vom 26. August bis zum 6. September zum ersten Mal ein demokratisches System bekommen – mit Parlament, Präsident, Außengrenzen und allem, was sonst noch dazu gehört. Die Betreuer wollen mit den 13 bis 16 Jahre alten Teilnehmern einen Staat simulieren.
Das politische und wirtschaftliche System im Zeltlager sollen die Jugendlichen selbst gestalten. Es werden ein Parlament und ein Präsident gewählt, Minister ernannt, eine Währung entwickelt, Steuern erhoben, Geschäfte gemacht und Kulturveranstaltungen organisiert. „Die Teilnehmer sollen als mündige Bürger selbst entscheiden, was sie mit ihrem Leben machen“, sagt Paul Beck aus Wilhelmsdorf-Zußdorf, der das achtköpfige Betreuerteam leitet.
Minister entscheidet über Steuern
Das Konzept, das die Betreuer ausgearbeitet haben, sei so ausgelegt, dass es für anderthalb Wochen auf dem Zeltplatz funktioniere, sagt Paul Beck. Bereits im Vorfeld haben die Betreuer einen Entwurf für eine Verfassung vorbereitet. „Die Details wollen wir aber gemeinsam mit den Jugendlichen bestimmen“, sagt Beck. Beispielsweise solle der Wirtschaftsminister festlegen, wie das Steuer- system konkret ausgestaltet wird. Denkbar seien auch gemeinsame Aktivitäten mit dem Zeltlager Benistobel – sozusagen um außenpolitische Beziehungen zu pflegen.
Hinter diesem Konzept steckt die Idee, den Jugendlichen näherzubringen, wie Gewaltenteilung funktioniert oder welche Faktoren die Wirtschaft beeinflussen. „Wir finden es sinnvoll, Jugendliche für Politik zu begeistern“, sagt Paul Beck. „Wir sollten aktiv etwas dafür tun. Das passt perfekt in die heutige Zeit, in der Extremismus erstarkt.“Das Modell biete sich dafür an, das Erwachsensein auszuprobieren und Verantwortungsgefühl zu entwickeln. „Trotzdem ist ein Zeltlager aber auch ein geschützter Rahmen, in dem man sich entfalten kann“, sagt der 22-Jäh- rige, der in München Pädagogik und Soziologie studiert. Er selbst hat das Zeltlager Schwende als Teilnehmer kennengelernt und war dann so begeistert, dass es für ihn naheliegend war, sich als Betreuer zu engagieren.
Tiere gehören mit dazu
Bei aller Ernsthaftigkeit sollen in dem kleinen Modellstaat aber auch das typische Zeltlager-Lebensgefühl und der Spaß nicht zu kurz kommen. Typisch für Schwende sind zum Beispiel die Tiere, um die sich die Kinder und Jugendlichen selbstständig kümmern. Schweine, Ziegen, Schafe, Hasen oder Meerschweinchen: kommen leihweise von Bauern aus der Umgebung. „Reizvoll ist auch die idyllische Lage“, sagt Paul Beck. Es werde viel im Wald und am Bach ge- spielt. Gekocht wird übrigens selbst: In der Küche sind vier ehrenamtliche Arbeitskräfte beschäftigt.
In den Sommerferien gibt es in Schwende drei Zeltlager-Freizeiten: eine für Kinder im Alter von acht bis zwölf, eine für Zehn- bis 13-Jährige und eine für Jugendliche von 13 bis 16. Träger aller drei Freizeiten ist der Bund der deutschen katholischen Jugend (BDKJ) der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Die Teilnehmer reisen in der Regel aus ganz BadenWürttemberg an. Betreuer, Köche und Fahrer arbeiten ehrenamtlich.
Weitere Informationen gibt es unter der Telefonnummer 07153/ 300 11 22 und im Internet auf