Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
„Die Zeit läuft für die EU“
Schon Präsident Bush ist mit Strafzöllen gescheitert, sagt die Ökonomin Sabine Stephan
BERLIN - Die Europäer sollten Mengenbeschränkungen für ihre Exporte in die USA akzeptieren, sagt Wirtschaftsforscherin Sabine Stephan unserem Korrespondenten Hannes Koch. Unternehmen aus den EULändern müssen künftig Strafzölle auf Exporte von Stahl und Aluminium in die USA zahlen. Bislang waren sie von den Zusatzabgaben ausgenommen. Die EU hatte für diesen Fall angekündigt, ihrerseits US-Produkte wie Motorräder, Whiskey oder Jeans mit höheren Abgaben zu belegen.
Ab 1. Juni treten die höheren USZölle auf Stahl und Aluminium in Kraft. Die deutsche Industrie würden sie vermutlich einige hundert Millionen Euro jährlich kosten – wenige Prozent des Exportvolumens. Ist das wirklich ein Drama?
Nein, die Abhängigkeit bundesdeutscher Stahl- und Aluminiumhersteller vom US-Markt ist gering. Selbst die Zölle, die US-Präsident Donald Trump hiesigen Autokonzernen androht, würden nur Einbußen von etwa fünf Milliarden Euro jährlich verursachen – wenig im Vergleich zum bundesdeutschen Exportvolumen von 1 300 Milliarden. Gesamtwirtschaftlich macht das tatsächlich nur eine vergleichsweise niedrige Summe aus. Für Volkswagen, Daimler und BMW fällt der US-Export jedoch stark ins Gewicht. Die deutsche Politik reagiert aber auch deshalb so alarmiert, weil Trump das hiesige Geschäftsmodell insgesamt angreift. Wir erwirtschaften unser Wachstum zum guten Teil mit Ausfuhren von Maschinen, Fahrzeugen und Chemieprodukten.
Nun geben Sie der Bundesregierung und der EU einen Rat. Man solle Trump anbieten, die europäischen Exporte in die USA auf einem etwas niedrigeren Niveau als heute für die kommenden Jahre festzuschreiben. Wäre den US-Interessen damit gedient?
Ich habe mittlerweile gelernt, dass Trump umsetzt, was er sagt. Deswegen sollten wir die Äußerung seines Wirtschaftsberaters Peter Navarro ernst nehmen, dass alle Handelspartner mengenmäßige Beschränkungen ihrer Exporte in die USA akzeptieren müssten. Die EU könnte nun versuchen, die am wenigsten schädliche Variante zu erreichen. Dabei mag uns eine Erfahrung aus der Regierungszeit von US-Präsident George W. Bush im Jahr 2002 zugutekommen.
Welche ist das?
Damals verhängte die US-Regierung Importzölle auf spezifische Stahlerzeugnisse, räumte aber einigen Staaten zollfreie Importkontingente ein. Die Zölle sorgten dafür, dass die Stahlpreise in den USA stiegen. Davon profitierten die ausländischen Stahlhersteller, die von den Zöllen ausgenommen waren. Sie verkauften zwar eine geringere Menge in die
USA, erzielten für diese aber einen höheren Preis, sodass ihre finanziellen Einbußen per Saldo begrenzt blieben.
Für Autos gilt das Gleiche?
In der Vergangenheit gab es mal USImportkontingente für japanische Fahrzeuge – mit ähnlicher Wirkung.
Sie argumentieren, Europa sitze am längeren Hebel. Trump werde seine Politik, Importe in die USA zu erschweren, nicht lange durchhalten. Warum nicht?
Weil Zölle und Importbeschränkungen den US-Stahl- und AluminiumProduzenten nutzen, wichtigen anderen Branchen aber schaden. Die
amerikanische Auto-, Maschinenbauund Bauindustrie zahlen dann mehr für die Träger und Bleche, die sie brauchen. Präsident Bush beendete das Experiment nach zwei Jahren. Die Zeit läuft für die EU.
Hat Trump nicht auch recht, wenn er besonders die Bundesrepublik für ihre hohen Exporte in die USA kritisiert?
Einerseits nein. Deutsche Autos sind in den USA einfach beliebter, als USFahrzeuge hierzulande. Das muss nichts mit unfairen Handelspraktiken zu tun haben. Andererseits sollten wir uns eingestehen, dass der deutsche Exportüberschuss potenziell auch für die einheimische Wirtschaft
gefährlich ist. Krisen in anderen Weltregionen können dieses Geschäftsmodell schnell und stark beeinträchtigen. Deswegen liegt es im eigenen Interesse, dass die deutsche Wirtschaft ausgewogener wächst – durch mehr Konsum und Investitionen, sowie höhere Löhne im Inland.
Im Handel mit Gütern hat Europa einen Vorteil gegenüber den USA. Nimmt man jedoch Dienstleistungen beispielsweise von Facebook, Amazon oder Google hinzu, sieht die Bilanz anders aus.
Die Leistungsbilanz zwischen den USA und Europa ist ausgeglichen. Das liegt zu einem großen Teil an den enormen Unternehmensgewinnen der Internetkonzerne. Diese transferieren ihre im Ausland erwirtschafteten und kaum besteuerten Gewinne zum großen Teil zurück in die USA.
Handelt es sich bei Trumps Politik also um schlichten nationalökonomischen Egoismus, dem die Europäer eigentlich ebenso begegnen sollten?
Betrachtet man die Leistungsbilanz, gibt es keinen Grund, der EU mit Strafzöllen zu drohen. Aber der USPräsident zieht die Argumente heran, die ihm in den Kram passen.