Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Quartier für alle Lebenslagen
Ende 2018 werden Fabrikhallen auf dem Rinker-Areal abgebrochen – 2022 startet der Bezug der Wohnungen
RAVENSBURG - Was demnächst auf dem drei Hektar großen RinkerAreal in der Östlichen Vorstadt entsteht, hat es in Ravensburg noch nicht gegeben: Sechs Architekten sollen für ein Quartier mit individuellen Häusern sorgen, das sich trotzdem harmonisch in die Umgebung einfügt. Außerdem kann, wer dort einzieht, zwischen unterschiedlichen Wohnformen wählen. Darüber hinaus sind die Bauherren, Reisch und Rhomberg, in Sachen Mobilitätskonzept innovativ unterwegs. Im Herbst fällt der Startschuss des Mammutprojektes: Dann werden die alten Fabrikhallen abgebrochen.
Im Zuge des größten Konversionsprojektes der Stadt entstehen auf dem drei Hektar großen einstigen Gewerbegelände, das zuletzt mehr als 40 Jahre lang von der Firma Vetter genutzt wurde, 19 Wohnhäuser mit fast 300 Wohnungen. 40 Quadratmeter große Mikroapartments soll’s dort künftig ebenso geben wie Vierbis Fünf-Zimmer-Wohnungen für Familien.
Flexible Variowohnungen
Sogenannte Variowohnungen können zudem auf die Bedürfnisse etwa von Studenten, Lehrlingen oder Rentnern jeweils flexibel angepasst werden. Neben der architektonischen Vielfalt wird ein breit gefächerter Bewohner-Mix angepeilt: Ravensburgs Oberbürgermeister Daniel Rapp setzt darauf, dass auf dem Rinker-Areal künftig „Krankenschwester und Oberarzt ebenso wie Opa, Oma und Enkel“– also Menschen unterschiedlicher Einkommensklassen – Tür an Tür leben. Damit diese Vision Realität wird, kann man die stadtnahen Wohnungen auf dem Rinker-Areal entweder mieten oder kaufen; außerdem werden entsprechend dem Bündnis für sozialen Wohnraum 20 Prozent der Fläche 15 Jahre lang mindestens 14 Prozent unter der ortsüblichen Vergleichsmiete angeboten.
Rhomberg und Reisch gehen noch weiter: Sie wollen „ein Quartier für jede Lebensphase“schaffen, wie Reisch-Projektleiter Ingo Traub sagt. Das bedeutet konkret: Wer sich dort niederlässt, kann sich bei Bedarf in einigen Jahren in der direkten Nachbarschaft genau die Pflege zukaufen, die er dann benötigt. Momentan laufen Gespräche mit Pflegediensten, die sich auf dem Gelände ansiedeln und die Bewohner individuell versorgen sollen – Pflegewohnen nennt sich dieses Konzept. Auch Tagespflege, Pflege-WGs oder ambulant betreutes Wohnen gehören dazu. „Entscheidend ist: Man kann in diesem Quartier alt werden“, wie Traub betont.
Und nicht nur das: Auch in Bezug auf die Mobilität will man neue Wege gehen – und den Verkehr auf dem Areal so gering wie möglich halten. Gedacht ist beispielsweise an einen Paketservice, der die Post für die Bewohner sammelt – damit nicht x-mal am Tag ein Zusteller reinfährt. Auch über Car-Sharing oder die Doppelnutzung von Stellplätzen macht man sich bei Reisch und Rhomberg Gedanken – noch ist aber nichts fix. „Wir stehen gemeinsam mit der Stadtverwaltung noch am Anfang dieser Überlegungen“, sagt Traub. Außer Frage steht jedoch, „dass das Thema Mobilität in dem Wohngebiet eine große Rolle spielen wird“, ergänzt Rhomberg-Immobilienleiterin Christina Heusner.
Damit die neuen Bewohner ihre ortsansässigen Nachbarn in der Östlichen Vorstadt lärmtechnisch nur minimal „belästigen“, sollen sie schon von der Rinkerstraße aus in die Tiefgarage gelangen – und gar nicht erst in das rund um die Holbeinstraße gelegene Wohngebiet hineinfahren. Dasselbe gilt übrigens für den Baustellenverkehr. Apropos Verkehr: Damit dieser auf der Wangener Straße künftig nicht allzu sehr ins Stocken gerät, wird diese Straße verbreitert und bekommt stadtauswärts eine Linksabbiegespur gen Rinkerstraße.
Lebensmittelhändler wird geprüft
Abgesehen von der viergruppigen Kindertagesstätte, die am Rande des neuen Wohngebiets entsteht, könnte sich noch ein Lebensmittelgeschäft dort ansiedeln. „Auch das prüfen wir – versprechen können wir aber nichts“, so Traub. Er versichert, ein solches Angebot solle, so es denn kommt, keine Konkurrenz, sondern „eine sinnvolle Ergänzung“zu den Läden sein, die es im Viertel bereits gibt.
Ehe neu gebaut werden kann, müssen freilich die Fabrikhallen abgerissen werden. Damit soll es Ende 2018 losgehen. Die für die Altlastenentsorgung anfallenden Kosten dürften sich dabei in Grenzen halten: Bei Probebohrungen sei bis auf die üblichen, früher häufig verwendeten PCB-Fugen oder teerhaltige Dachpappe „nichts Dramatisches“zum Vorschein gekommen, wie Heusner erläutert.
Sofern die Baugenehmigung im Zeitplan eintrifft, könnte man schon Mitte nächsten Jahres das erste Gebäude in Angriff nehmen. Die Mehrfamilienhäuser, von denen manche mit Holzfassaden aufgehübscht werden, ziehen Reisch und Rhomberg in mehreren Bauabschnitten hoch. Die ersten Mieter oder Eigentümer können frühestens Mitte 2022 ihr neues Zuhause beziehen. Alle 300 Wohnungen sollen 2025 fertig sein. Wobei die Kita ganz am Anfang drankommt – schließlich soll der Nachwuchs von Anfang an versorgt sein.