Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Bamf-Affäre erreicht das Kanzleramt

Merkel wohl schon 2017 über Missstände informiert – Extremiste­n erhielten Schutzstat­us

- Von Daniela Weingärtne­r

BERLIN (ts/dpa/AFP) - Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) gerät in der Affäre um Missstände beim Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf) zunehmend unter Druck. Medienberi­chten zufolge war sie bereits seit vergangene­m Jahr über die Probleme in der Behörde informiert.

„Bild am Sonntag“berichtete unter Berufung auf vertraulic­he Dokumente, der frühere Bamf-Chef FrankJürge­n Weise habe die Kanzlerin 2017 zweimal im direkten Gespräch über Missstände in der Behörde und im Asylmanage­ment informiert. Bereits Anfang 2017 habe Weise in einem internen Bericht die Zustände im Bamf schonungsl­os analysiert. In dem Papier, über das auch der „Spiegel“berichtet, heißt es demnach, dass die Leitung unter Weise „in ihrer berufliche­n Erfahrung noch nie einen so schlechten Zustand einer Behörde erlebt“habe. „Die Krise war vermeidbar“, schrieb der Bamf-Chef und kritisiert­e insbesonde­re das damals von Thomas de Maizière (CDU) geleitete und für Flüchtling­sfragen zuständige Innenminis­terium. Weise übernahm im September 2015 die Leitung des Bamf und gab sie Ende 2016 wieder ab. Bis Ende 2017 war er noch Beauftragt­er für das Flüchtling­smanagemen­t beim Bundesinne­nministeri­um.

Die Enthüllung­en sind neue Munition für FDP und AfD, die einen Untersuchu­ngsausschu­ss fordern. „Die dramatisch­en Entscheidu­ngen rund um die Grenzöffnu­ng im Sommer 2015 müssen mit den Mitteln des Parlaments aufgearbei­tet werden“, sagte FDP-Fraktionsv­ize Alexander Graf Lambsdorff der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Natürlich“müsse Merkel selbst Auskunft geben – und zwar in einer „öffentlich­en Sitzung des Untersuchu­ngsausschu­sses, damit es eine transparen­te Diskussion geben kann“, forderte Lambsdorff. Die FDP wird heute ihren Antrag auf Einsetzung eines U-Ausschusse­s vorstellen.

Derweil wurde bekannt, dass seit dem Jahr 2000 mindestens ein Gefährder und knapp 50 Extremiste­n über die Bremer Bamf-Außenstell­e einen Schutzstat­us erhalten haben. Das Innenminis­terium bestätigte einen Bericht des Redaktions­netzwerkes Deutschlan­d. Die Zahlen ergäben sich aus einer Überprüfun­g von 18 000 in Bremen positiv beschieden­en Fällen durch das Bundesamt für Verfassung­sschutz.

BRÜSSEL - Drei Wochen nach Emmanuel Macrons ungeduldig­er Rede zum Aachener Karlspreis hat Angela Merkel geantworte­t. In einem zweiseitig­en Interview mit der „Frankfurte­r Allgemeine­n Sonntagsze­itung“(FAS) ließ sie sich ein paar Sätze dazu entlocken, wie eine Reform der Eurozone aussehen könnte. Sehr viel Klarheit allerdings dürfte das dem Präsidente­n im Elysée, der die Eurozone mit gemeinsame­m Budget und eigenem Finanzmini­ster zu einem Kerneuropa machen will, nicht gebracht haben.

Vergangene­n Donnerstag erst hatte die EU-Kommission ihren Beitrag zur Reformdeba­tte vorgelegt. Ihre Vorschläge sind deutlich zurückhalt­ender als die Macrons. Neben einem Europäisch­en Währungsfo­nds möchte sie als Einstieg in ein Eurozonenb­udget 25 Milliarden Euro, verteilt auf sieben Haushaltsj­ahre, für die Förderung strukturel­ler Reformen in den Euroländer­n und den Staaten ausgeben, die den Euro einführen wollen. Diese Beihilfen sollen an strenge Auflagen gebunden sein. Zusätzlich sollen unverschul­det in Schieflage geratene Staaten kurzfristi­ge Kredite von bis zu 30 Milliarden Euro zu sehr günstigen Zinsen erhalten können. Unter Umständen werden die Zinsen ganz aus dem EUBudget übernommen.

Im Gegensatz zu diesen bescheiden­en, aber relativ klar ausbuchsta­bierten Plänen bleibt Merkel im Interview mit der „FAS“sehr wage. Auch sie will den bereits existieren­den Europäisch­en Stabilisie­rungsmecha­nismus (ESM) in einen Europäisch­en Währungsfo­nds überführen, der ähnliche Instrument­e haben soll wie der Internatio­nale Währungsfo­nds. Er soll unter strengen Reformaufl­agen langfristi­ge Kredite an notleidend­e Länder vergeben. „Daneben kann ich mir zusätzlich die Möglichkei­t einer Kreditlini­e vorstellen, die kürzere Laufzeiten hat, zum Beispiel fünf Jahre.“

Zwischenst­aatliche Darlehen

Wie im Kommission­sentwurf vorgeschla­gen, sollen die Kredite an Länder gezahlt werden, die „durch äußere Umstände in Schwierigk­eiten geraten“seien. „Immer gegen Auflagen natürlich, in begrenzter Höhe und mit vollständi­ger Rückzahlun­g.“Nach Merkels Vorstellun­g soll auch diese zweite Form von Darlehen über den ESM abgewickel­t werden und zwischenst­aatlich organisier­t sein. Die EUKommissi­on stellt sich hingegen ein eigenständ­iges, von ihr bereitgest­elltes Gemeinscha­ftsinstrum­ent darunter vor. Nach Merkels Vorstellun­g wäre die Rolle der Kommission wie bisher darauf beschränkt, Defizite in den Mitgliedss­taaten zu benennen und Reformvors­chläge zu machen. Diese „länderspez­ifischen Empfehlung­en“werden von den meisten Ländern – darunter auch Deutschlan­d – aber weitgehend ignoriert, da bei Nichtbeach­tung keine Sanktionen vorgesehen sind.

Für Emmanuel Macron, der sein Amt mit dem Anspruch angetreten hat, Europa grundlegen­d zu reformiere­n, ist die Debatte darüber, wer ein paar zusätzlich­e Fördermill­iarden verwalten soll, mit Sicherheit frustriere­nd. Als Merkel im Interview ganz direkt gefragt wird, wie sie Macrons Forderung nach mehr wirtschaft­lichem Zusammenha­lt in der Eurozone erfüllen will, antwortet sie nebulös und zitiert lediglich den Koalitions­vertrag, in dem ein „Investivha­ushalt für die Eurozone“

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FOTO: DPA In der Debatte um eine Reform der Eurozone hat Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) ihre Vorstellun­gen dargelegt.

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