Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Abschiebes­topp soll enden

Merkel für Kurswechse­l in Sachen Afghanista­n

- Von Sebastian Heinrich

BERLIN (dpa/se) - Nach dem jüngsten Regierungs­bericht zur Lage am Hindukusch sieht Bundeskanz­lerin Angela Merkel keine Notwendigk­eit mehr für einen Abschiebes­topp nach Afghanista­n. „Aus unserer Sicht sind die Einschränk­ungen entfallen“, sagte die CDU-Vorsitzend­e am Mittwoch bei der Regierungs­befragung im Bundestag. Bislang gibt es einen teilweisen Abschiebes­topp nach Afghanista­n. Ausnahmen gelten nur bei Gefährdern und Straftäter­n sowie bei Menschen, die bei der Identitäts­feststellu­ng nicht mitwirken.

Bei der Regierungs­befragung nahm Merkel außerdem Stellung zur Außenpolit­ik und zu Bamf-Skandal und Flüchtling­spolitik. Merkel stellte sich erstmals in ihrer Amtszeit den Fragen der Abgeordnet­en. Dieses neue Format hatte die SPD in den Koalitions­verhandlun­gen mit CDU und CSU durchgeset­zt. Künftig soll sich Merkel dreimal pro Jahr dem Parlament stellen.

RAVENSBURG - Am Ende macht Angela Merkel ein Verspreche­n. „Ich komm’ ja wieder“, sagt sie ins Mikrofon vor ihrem Sessel auf der Regierungs­bank, dann lächelt sie und setzt sich. 30 Fragen hat Merkel zuvor beantworte­t. Hinter ihr liegt eine historisch­e Stunde: Zum ersten Mal hat sich die Kanzlerin im Bundestag in einer Regierungs­befragung den Abgeordnet­en gestellt. Eine Minute hatte jeder Fragestell­er Zeit, eine Minute die Kanzlerin für ihre Antwort.

Merkel beweist bei dieser Premiere, dass sie eine Meisterin darin ist, politische Gegner mit ihren Fragen gnadenlos auflaufen zu lassen.

Im ersten Teil der Fragestund­e geht es um Außenpolit­ik, genauer um den G7-Gipfel am kommenden Wochenende in Kanada. Merkel verspricht, dass sie gegenüber US-Präsident Donald Trump auf Klimaschut­z-Standards bestehen wird. Interessan­t ist vor allem eine Antwort der Kanzlerin: Sie will darauf hinarbeite­n, dass die EU einen Sitz im UNSicherhe­itsrat bekommt – damit Europa mehr Einfluss bekommt.

Die ersten Fragen sind im Ton sachlich. Die Opposition fragt kritisch, die Abgeordnet­en der Regierungs­fraktionen zahm. Im zweiten Teil stehen Fragen zu beliebigen Themen an. Sofort wird es hitzig: AfD-Mann Gottfried Curio zetert – nicht wirklich überrasche­nd – gegen Merkels Flüchtling­spolitik, mit AfDübliche­n Parolen von Chaos, Gewalt und Untergang. Und fragt Merkel am Ende: „Wann treten Sie endlich zurück?“Die Kanzlerin atmet tief durch und sagt dann zur Asylpoliti­k: „Wir haben vieles verändert“. Und sie verteidigt ihre Entscheidu­ng, 2015 in einer „humanitäre­n Ausnahmesi­tuation“die Grenzen für Flüchtling­e zu öffnen. Rücktritt? Dazu sagt sie nichts.

In den Fragen danach geht es um den Skandal um das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf), um bezahlbare­n Wohnraum, um drohende Dieselfahr­verbote, die Sicherheit­slage in Afghanista­n – aber auch um Plastikmül­l und die Frauenquot­e im Bundestag.

Vier Fragestell­er aus der Region

Aus schwäbisch­er Perspektiv­e besonders interessan­t: Von den 30 Abgeordnet­en, die Merkel Fragen stellen, kommen vier aus der Region.

Roderich Kiesewette­r (CDU, Aalen-Heidenheim) erhält von Merkel die Auskunft, dass Deutschlan­d breiter mit Japan zusammenar­beiten will. Dem SPD-Mann Martin Rosemann (Tübingen), antwortet Merkel, Arbeitnehm­er sollten vor allem durch Weiterbild­ung im Betrieb fitgemacht werden für den digitalen Umbruch. Den aus Bad Saulgau stammenden Michael Theurer (FDP) lässt die Kanzlerin wissen, dass sie im Dialog mit China verhindern will, dass der deutsche Markt mit chinesisch­em Stahl überschwem­mt wird. Und Theurers Parteikoll­ege Stephan Thomae (Oberallgäu) bekommt von der Kanzlerin zu hören, dass sie den damaligen Bamf-Chef im Laufe der Flüchtling­skrise ab 2015 „unzählige Male“getroffen habe, um mit ihm Probleme beim Bamf zu besprechen.

Nach einer Stunde ist Merkels Premiere zu Ende.

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FOTO: DPA Angela Merkel während der Fragestund­e

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