Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
„In Kapstadt merkt man, was im Leben wichtig ist“
Joachim Schuler hat als Wirtschaftsinformatiker der Hochschule Pforzheim ein Projekt in Südafrika aufgebaut
ENNETACH/PFORZHEIM - Woher sein Faible fürs Technische kommt, kann Joachim Schuler gar nicht genau sagen. „Ich habe als Kind viel mit Holz gearbeitet, das hatte ich wohl von meinem Vater, der Flaschner war“, sagt er. „Aber dann begann ich, alles von der technischen Seite aus zu sehen.“Als Professor für Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Pforzheim hat er den Schwerpunkt E-Business. „Ich interessiere mich vor allem dafür, wie auch kleine Unternehmen die Digitalisierung meistern können“, sagt er.
Aufgewachsen ist Joachim Schuler in Ennetach. „Ich war glücklich in der Kleinstadt, habe viel Tennis gespielt und bin in Riedlingen aufs Gymnasium gegangen“, sagt er. Seine schulischen Leistungen seien gut gewesen, ohne dass er groß habe fleißig sein müssen. Zum Studieren sei er dann nach Karlsruhe gegangen. „Ich konnte mich nicht so recht zwischen Betriebswirtschaftslehre und etwas Technischem entscheiden, also habe ich Wirtschaftsingenieurwesen genommen“, sagt er. IT (Informationstechnik) sei damals noch nicht
so in gewesen.
In Karlsruhe hat es Schuler gut gefallen, er lebt dort bis heute. Als Mitarbeiter des Forschungszentrums Informatik Karlsruhe promovierte er mit einem Konzept für ein rechnerunterstütztes Simulationsmodell zur Bewertung der Wirtschaftlichkeit von Lösungsalternativen bei der Planung einer integrierten technischen Informationsverarbeitung. Nach der Promotion machte er sich mit einem Partner selbstständig und gründete ein Beratungsunternehmen. Schuler beriet dabei seine Kunden bei der Auswahl und Einführung von so genannten ERP-Systemen, Software-Systemen zur Unterstützung der Ressourcenplanung in Unternehmen, und später bargeldlosen Zahlungssystemen.
„Das war eine spannende Zeit, aber familiär sehr anstrengend“, erinnert er sich. Zugunsten seines Privatlebens zog er sich 1996 aus dem Unternehmen zurück und bewarb sich als Professor bei der Hochschule in Pforzheim. „Eine gute Entscheidung, die ich seither nie bereut habe.“Wirklich ins kalte Wasser sei er dabei nicht gesprungen, schließlich habe er schon zuvor Lehraufträge der verschiedenen Hochschulen gehabt und sei der Hochschularbeit
„Das war eine spannende Zeit, aber familiär sehr anstrengend“, sagt Joachim Schuler über seine Zeit als selbständiger Berater.
stets verbunden geblieben: „Eine Neigung zum Unterrichten hatte ich schon immer, wenn auch zunächst als Tennistrainer und Skilehrer.“
Zu seiner Patchworkfamilie gehören heute neben seiner Frau Sylke fünf Kinder im Alter von 23, 22, 19, zehn und fünf Jahren. Nach Mengen hat er – im Gegensatz zu Urban Bacher, der ebenfalls an der Hochschule in Pforzheim lehrt – nur noch wenige Verbindungen. „Meine Mutter, die durchs Yoga extrem gut vernetzt ist, wohnt in Ennetach und wenn es Familienfeiern gibt, kommen wir natürlich zu Besuch“, sagt er. Von seiner damaligen Tennisclique sei aber kaum noch jemand da. „Dafür feiere ich mit meinen Jahrgängern aus Ennetach aber bald unser 60er-Fest.“
Schuler zieht es stattdessen mehr nach Südafrika. „Meine ersten Eindrücke habe ich bei einer Reise im Studium gesammelt, als ich eine Tante besucht habe, die in einem Kloster in Johannesburg gelebt hat“, erzählt er. Als sich 2010 die Möglichkeit ergab, ein Forschungssemester an der University of Cape Town (UCT) zu verbringen, habe er die Chance sofort ergriffen. „Ich habe die Haustür in Karlsruhe abgeschlossen und bin mit der ganzen Familie nach Cape Town gezogen“, sagt er.
In welchen Verhältnissen arme Familien in Südafrika leben, hat Joachim Schuler und seine Frau sehr berührt. „Wir wollten den jungen Menschen dort auch nach unserer Rückkehr nach Deutschland helfen, bessere Chancen im Leben und in der Arbeitswelt zu haben“, sagt er. Deshalb gründete Schuler in Vrygrond, einem der ältesten und ärmsten Townships Kapstadts, das Vrygrond Computer Lab mit, ein Kooperationsprojekt zwischen der Hochschule Pforzheim und der UCT. „Das Lab ist mit 20 Computern ausgestattet und dort werden Grundkurse in Office und Word und Programmieren angeboten“, sagt er. Viele junge Menschen hätten in Kapstadt keinen Zugang zu Bibliotheken, Computern oder Internet. „Diese wichtige Bildungsarbeit leistet das Lab.“Die jungen Leute werden vor Ort von Studenten oder anderen Freiwilligen betreut, können die Computer für Schulprojekte nutzen oder individuelle Förderungen erhalten.
„In den vergangenen acht Jahren ist das Projekt beständig gewachsen und es können immer mehr und bes-
„Wir wollten jungen Menschen helfen, bessere Chancen im Leben zu haben“, sagt Joachim Schuler über sein Projekt in Südafrika.
sere Kurse angeboten werden“, erzählt Schuler. Studenten aus Pforzheim würden regelmäßig einige Monate als Freiwillige in Kapstadt verbringen und dort wertvolle Erfahrungen sammeln. „Wenn man die Situation und die Jugendlichen dort erlebt, bekommt man eine ganz andere Einstellung zu dem, was einem im Leben wichtig ist“, findet Schuler.
Seine Frau ruft eine Hortbetreuung im selben Township ins Leben und gründet den Verein Buildup Kids Afrika. Im Jahr 2013 wird von Studenten der Verein Initiaid gegründet, der sich auf die Unterstützung und Weiterführung des Computer Labs fokussiert. Letztes Jahr haben Initiaid (initiaid.de) und Buildup Kids fusioniert, um gemeinsam die Arbeit vor Ort weiter zu verbessern. So konnte die Förderung von begabten Kindern durch die Vergabe von Stipendien ausgebaut werden. „Aber auch hier vor Ort helfen die Studierenden im Rahmen des Projektes ,Perspektive’ Asylsuchenden in Pforzheim, die vielleicht ein Studium beginnen wollen“, sagt Schuler. 2015 hat er ein zweites Forschungssemester in Kap- stadt verbracht, ein drittes würde er auch gern noch realisieren. „Es wäre auch für unsere jüngsten Kinder eine tolle Erfahrung“, findet er. „Zumal unser fünfjähriges Pflegekind selbst afrikanische Wurzeln hat.“
Wer mehr über das Projekt in Kapstadt erfahren oder es unterstützen möchte, findet weitere Infos unter