Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Patientenakten im Altpapier: Bußgeldverfahren läuft weiter
Durch einen Wechsel der Zuständigkeiten beim Land verzögert sich die Entscheidung über eine Geldbuße
RAVENSBURG - Das Bußgeldverfahren gegen den früheren Belegarzt der Oberschwabenklinik, der im Dezember vergangenen Jahres alte Patientenakten ungeschreddert ins Altpapier geworfen hatte, ist immer noch nicht abgeschlossen. Der Vorfall hatte zum Jahreswechsel für Furore gesorgt, weil die Akten hochsensible Daten von teils jugendlichen Patienten enthielten wie Krankheitsgeschichte, Diagnosen oder Suchtverhalten. Gefunden hatte die Akten ein unbeteiligter Bürger, der ebenfalls Altpapier auf dem Wertstoffhof entsorgen wollte und sich über die mehr als hundert roten und grünen Leitzordner wunderte, die dort lagen. Er sammelte soviele davon ein, wie er bekommen konnte und wandte sich an die „Schwäbische Zeitung“.
Anfangs ermittelte die Staatsanwaltschaft Ravensburg gegen den früheren Belegarzt, der seine Praxis aus Altersgründen schon vor einiger Zeit aufgegeben hat. Sie konnte ihm aber keine Straftat nachweisen, weil der Mann nicht vorsätzlich gehandelt hatte und seine ehemaligen Patienten sicher nicht schädigen wollte – die strafrechtlichen Ermittlungen wurden folglich eingestellt.
Das gilt aber nicht für die datenschutzrechtliche Bewertung des Falles. Dafür zuständig war bislang das Regierungspräsidium Karlsruhe, zu dem die Ravensburger Staatsanwaltschaft die Unterlagen für ein Bußgeldverfahren weiterleitete. Da nach Eintritt der neuen Datenschutzgrundverordnung die Zuständigkeiten zum 25. Mai aber erneut wechselten – jetzt ist der Landesdatenschutzbeauftragte in Stuttgart für die Ahndung von Verstößen gegen das Gesetz zuständig – wurden die Akten aus Ravensburg erneut weitergeleitet.
Wolfram Barner, Pressesprecher des Landesdatenschutzbeauftragten, nahm auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“ausführlich Stellung. Man habe die Unterlagen erst am 29. Mai bekommen. „Die Ermittlungen dauern noch an.“Der Abschluss des Verfahrens sei derzeit noch nicht absehbar.
Da der mutmaßliche Verstoß aber noch vor Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung erfolgt sei, wird der Fall nach der alten Fassung behandelt. Daher droht dem Mediziner „nur“eine Geldbuße von bis zu 300 000 Euro. Würde so etwas heute passieren, könnte die Geldbuße noch erheblich höher ausfallen. Bei Konzernen gar bis zu 20 Millionen Euro oder vier Prozent des weltweiten Umsatzes.
Aber wie bemisst sich die tatsächliche Höhe? „Ob ein Verstoß mit einem Bußgeld geahndet wird, hängt von vielen Faktoren ab, so zum Beispiel von der Anzahl der vom Pflichtenverstoß betroffenen Patienten, von der Dauer des Verstoßes, von eventuellen Schadens wieder gut machungs bemühungen und dem Grad des Verschuldens des für den Pflichtenverstoß Verantwortlichen“, äußert sich Barner. „Angesichts des Umstandes, dass es sich bei Patientendaten um besonders sensible Daten handelt, wird bei Verstößen in diesem Bereich jedoch häufiger ein Bußgeld zu verhängen sein, als in Fällen, in denen weniger sensible Daten betroffen sind.“Zur Dauer von Bußgeldverfahren könne keine generelle Aussage getroffen werden, da auch dies von mehreren Faktoren abhänge. Erhalten die Datenschützer eine Anzeige eines Bürgers, müssten erst umfangreiche Ermittlungen aufgenommen werden. „Wird der Vorgang jedoch von der Polizei oder der Staatsanwaltschaft übersandt, sind in der Regel schon wesentliche Ermittlungen getätigt worden, sodass diese Verfahren bei der hiesigen Bußgeldstelle zügiger betrieben werden können“, meint Barner.