Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Wie es nach dem Eklat weitergehen kann
Vier Szenarien zum Asylstreit in den Unionsparteien
RAVENSBURG - Es braucht keinen allzu tiefen Blick in den Kaffeesatz, um zu sehen: Am Ende dieser Woche stehen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Innenminister Horst Seehofer (CSU) beide schlecht da. Sie haben sich in eine Situation hineinmanövriert, aus der sie unbeschädigt kaum herauskommen werden. Der Wähler reibt sich derweil verwundert die Augen: Nach 100 Tagen soll die Große Koalition bereits wieder am Ende sein – und das wegen eines Streits um neue Flüchtlinge, deren Zahl ohnehin abnimmt. In den ersten drei Monaten dieses Jahres wurden beim Bundesamt für Migration 11 385 Erstanträge gestellt – weniger als im Jahr 2017 (13 338) und sehr viel weniger als 2016 (rund 60 000).
Was treibt die Christsozialen also dazu, die Koalition aufs Spiel zu setzen? Und was werden sie damit erreichen? Bislang haben die Gegner von Merkel bekanntlich immer den Kürzeren gezogen. Vier Szenarien, wie der Asylstreit ausgehen könnte:
Seehofer zieht seinen Alleingang durch
dürfte Seehofers Selbstbewusstsein gestärkt haben. Der Innenminister würde mit einem Alleingang allerdings die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin verletzen. Deshalb müsste sie ihn im Grunde entlassen, wenn sie nicht selbst abtreten will.
Merkel bleibt bei ihrer Haltung
Am Donnerstag deutete alles darauf hin, dass die Kanzlerin nicht geneigt ist, ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik zu ändern. Sollte sie Seehofer tatsächlich entlassen, würde ihr das aber auf die Füße fallen. Der CSUChef würde sich als derjenige inszenieren, der in der Verantwortung für Deutschland sein Amt geopfert hat. Dies dürfte seiner Partei bei der Landtagswahl im Oktober einige Stimmen von Rechtsaußen bringen. Aber auch Merkels Position wäre geschwächt. Innerparteilich würde sich das konservative Lager in der Union noch weiter von ihr abwenden. Zudem würde die AfD sie erneut als diejenige darstellen, die Flüchtlinge nach Deutschland holt.
Welche Kompromisschancen gibt es sonst noch?
wären verschiedene Kompromisse denkbar: Beispielsweise, dass an den Grenzen nur die Menschen zurückgewiesen werden, für die bereits ein Wiedereinreise-Verbot besteht. Oder dass Flüchtlinge in EU-Länder zurückgewiesen werden, mit denen es direkte Absprachen gibt. Beim EU-Gipfel Ende Juni will die Kanzlerin eine EU-weite Lösung zur Flüchtlingsverteilung erreichen. Wenn Merkel und Seehofer es schaffen, ihren Streit bis dahin nicht noch weiter eskalieren zu lassen, könnten sie die Rückweisungen an der Grenze sogar als Druckmittel einsetzen.
Es gibt keine Einigung
Wenn sich Merkel und Seehofer nicht einigen, wird dies wohl das Ende der Koalition – und damit Neuwahlen bedeuten. Denn es nicht zu erwarten, dass die CSU die Entlassung ihres Minister hinnehmen und einfach einen neuen Kandidaten für den Posten vorschlagen würde. Sollte es zu Neuwahlen kommen, dürften die jetzigen Koalitionäre noch schlechter abschneiden als 2017. Die Umfragewerte der SPD sind bereits im Keller, aber auch die Union könnte vom Wähler abgestraft werden. Allein der AfD dürfte eine Neuwahl zupass kommen.