Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
25 Jahre Zuchthaus für 71 Tote in Kühllaster
KECSKEMET (dpa) - Im Prozess um den Tod von 71 Flüchtlingen in einem Kühllastwagen hat ein ungarisches Gericht die vier Angeklagten zu jeweils 25 Jahren Zuchthaus verurteilt. Das Urteil fiel fast drei Jahre nach der Tragödie an einer österreichischen Autobahn. Angeklagt waren die Fahrer des Todes-Lkw und eines Begleitfahrzeugs sowie zwei Organisatoren. Bei der von starkem Medieninteresse begleiteten Urteilsverkündung am Donnerstag sagte Richter Janos Jadi im Gericht von Kecskemet (Südungarn), dass sich die vier Männer – drei Bulgaren und ein Afghane – der Tötung der ihnen anvertrauten Flüchtlinge schuldig gemacht haben.
Fall erschütterte 2015 die Welt
Der abgestellte Lkw mit den Leichen der Flüchtlinge war am 27. August 2015 gefunden worden. Das Fahrzeug war am Tag zuvor von Südungarn abgefahren. Die Flüchtlinge im Laderaum waren qualvoll erstickt. Der Fall hatte weltweit Erschütterung ausgelöst.
Das Gericht folgte nicht dem Antrag des Staatsanwalts, der die Verantwortlichen für die Todesfahrt des Mordes angeklagt und lebenslange Strafen verlangt hatte. Wie Richter Jadi in seiner Urteilsbegründung erklärte, verfolgten die Täter keine klare Absicht, die Flüchtlinge zu töten.
Zugleich begingen sie eine „absichtsvolle Unterlassungstat“, wie er ausführte. Eine „Mischung aus Gier, Angst vor Entdeckung und Affekthandlungen“habe sie daran gehindert, etwas zu tun, als das Leben der Menschen im Lkw auf dem Spiel stand. Bis zu ihrem Erstickungstod hatten diese im Laderaum geschrien und gegen die Wände getrommelt. Dem Fahrer war dies nicht entgangen, wie aus von der ungarischen Polizei abgehörten Telefongesprächen hervorging. Der bulgarische Organisator und sein afghanischer Chef wiesen ihn an, nicht anzuhalten und die Ladetür nicht zu öffnen.
Der Prozess gegen die mutmaßlichen Verantwortlichen begann vor knapp einem Jahr in Kecskemet. In dem Verfahren wurden 25 weitere Schlepperfahrten verhandelt.