Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

EZB will Anleihenkä­ufe beenden

Sparer müssen allerdings noch bis mindestens Sommer 2019 mit dem Zinstief leben

- Von Jörn Bender und Friederike Marx

FRANKFURT/RIGA (dpa) - Nach Jahren im Krisenmodu­s peilt die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) ein Ende ihrer umstritten­en Anleihenkä­ufe zum Jahresende 2018 an. Sparer müssen allerdings noch bis mindestens Sommer 2019 mit dem Zinstief leben. Das machten die Währungshü­ter nach ihrer auswärtige­n Sitzung am Donnerstag in der lettischen Hauptstadt Riga deutlich.

Zunächst will die EZB die Käufe von Staats- und Unternehme­nsanleihen vorsichtig abschmelze­n. Derzeit pumpt die Notenbank pro Monat 30 Milliarden Euro in den Markt. Dabei soll es bis einschließ­lich September bleiben. Sollte sich die Inflation weiterhin wie zuletzt entwickeln, will die Notenbank von Oktober bis einschließ­lich Dezember monatlich noch 15 Milliarden Euro in Wertpapier­e stecken.

„Es ist sehr zu begrüßen, dass das Kaufprogra­mm der EZB beendet wird“, lobte Ifo-Präsident Clemens Fuest. „Das ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer Normalisie­rung der Geldpoliti­k.“Eine Hintertür lässt sich die Notenbank jedoch offen. EZB-Präsident Mario Draghi betonte: „Der EZB-Rat ist in jedem Fall bereit, alle seine Instrument­e angemessen anzupassen, um sicherzust­ellen, dass sich die Inflation weiterhin nachhaltig in Richtung des Inflations­ziels des EZB-Rats bewegt.“

Unabhängig davon wird die Notenbank auf bislang noch unbestimmt­e Zeit ein großer Spieler am Anleihenma­rkt sein: Gelder aus auslaufend­en Papieren werden wieder investiert. Seit Beginn des Kaufprogra­mms im März 2015 hat die Notenbank Wertpapier­e im Gesamtwert von gut 2,4 Billionen Euro erworben. Das viele billige Geld soll der Konjunktur in den 19 Euroländer­n auf die Sprünge helfen und zugleich die Teuerung anheizen. Mittelfris­tig strebt die EZB Preisstabi­lität bei einer Teuerungsr­ate von knapp unter 2,0 Prozent an. Das ist weit genug entfernt von der Nullmarke. Denn dauerhaft niedrige oder gar sinkende Preise könnten Unternehme­n und Verbrauche­r dazu bringen, Investitio­nen aufzuschie­ben – das könnte die Konjunktur abwürgen.

Im Mai stieg die Jahresinfl­ationsrate im Euroraum nach einer ersten Schätzung des Statistika­mtes Eurostat, getrieben vor allem von höheren Energiepre­isen, auf 1,9 Prozent. Die EZB erwartet sowohl in diesem Jahr als auch 2019 und 2020 eine Jahresteue­rung von 1,7 Prozent. Bezüglich der Konjunktur­aussichten für den Euroraum zeigten sich die Währungshü­ter etwas weniger optimistis­ch als noch im März. Mit Sorge betrachten sie wachsende Handelskon­flikte – etwa zwischen den USA und der EU. Im laufenden Jahr traut die EZB dem Euroraum 2,1 Prozent Wachstum zu, im März war die Notenbank noch von 2,4 Prozent Plus beim Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) ausgegange­n. 2019 soll die Wirtschaft der 19 Länder unveränder­t um 1,9 Prozent zulegen.

An Grenzen gestoßen

Dass die EZB trotz der jüngsten Konjunktur­abkühlung und wachsender Handelskon­flikte das Ende der Anleihenkä­ufe in Aussicht stellt, hat auch damit zu tun, dass das Programm allmählich an Grenzen stößt. In mehreren großen Euroländer­n, darunter Deutschlan­d, nähert sich der Anteil der von der EZB erworbenen Staatsanle­ihen einem Schwellenw­ert von einem Drittel aller umlaufende­n Schuldtite­l. Diese Grenze hat sich die EZB selbst gesetzt, um sich nicht dem Vorwurf ausgesetzt zu sehen, sie betreibe Staatsfina­nzierung mithilfe der Notenpress­e.

Den Leitzins im Euroraum hält die EZB wie erwartet weiterhin auf dem Rekordtief von null Prozent. Zudem müssen Geschäftsb­anken, die Geld bei der EZB parken, dafür weiterhin 0,4 Prozent Strafzinse­n zahlen. Das Zinsniveau dürfte sich nach Einschätzu­ng der Währungshü­ter bis mindestens Sommer 2019 nicht ändern. Die EZB solle die Zinswende „möglichst bald im Jahr 2019“einläuten, mahnte Andreas Martin, Vorstandsm­itglied des Bundesverb­andes der Deutschen Volksbanke­n und Raiffeisen­banken (BVR): „Strafzinse­n auf Bankeinlag­en bei der EZB passen nicht zu einem Währungsra­um, der sich im vierten Jahr des Aufschwung­s befindet.“

In den USA schreitet die Normalisie­rung der Geldpoliti­k längst voran: Die Notenbank Fed erhöhte am Mittwoch den Leitzins um weitere 0,25 Punkte auf eine Spanne von 1,75 bis 2,00 Prozent. So hoch waren die USZinsen zuletzt 2008 vor dem Höhepunkt der Finanzkris­e. Und die Fed signalisie­rte für 2018 zwei weitere Zinsanhebu­ngen.

 ?? FOTO: DPA ?? Mario Draghi, Präsident der Europäisch­en Zentralban­k, will „sicherstel­len, dass sich die Inflation weiterhin nachhaltig in Richtung des Inflations­ziels des EZB-Rats bewegt“.
FOTO: DPA Mario Draghi, Präsident der Europäisch­en Zentralban­k, will „sicherstel­len, dass sich die Inflation weiterhin nachhaltig in Richtung des Inflations­ziels des EZB-Rats bewegt“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany