Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Liebenswer­ter Stoiker

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Als junger Mann gefiel Castle Freeman, wie vielen jungen Männern, der Gedanke, Schriftste­ller zu werden. „Aber wie so mancher von ihnen, musste auch ich dem Problem ins Auge schauen, nie irgendwo gewesen zu sein und nichts erlebt zu haben, worüber ich hätte schreiben können.“Auf geradezu mysteriöse Weise änderte sich das mit dem Umzug nach Vermont. „Ich kann diese Wandlung nicht erklären“, sagt der 73-Jährige, „aber ich hatte auf einmal großartige Einfälle.“

Gerade ist der Roman „Der Klügere lädt nach“auf Deutsch erschienen. Auch er spielt wieder in der Provinzsta­dt Diamond Mountain im Waldbundes­staat Vermont, wie schon „Männer mit Erfahrung“und „Auf die sanfte Tour“. Diesmal muss Sheriff Wing eine Serie von Verstümmel­ungen aufklären. Dem jungen Terry, der so viel Mist baut „wie andere Leute Monopolyhä­user“, wird eine Hand abgehackt. Dem Ganoven Nelson, der seine Frau verprügelt, ein Auge ausgetrete­n. Dabei hat Sheriff Wing eigentlich mit sich selbst genug zu tun, seit Ehefrau Clemmie ihn aus dem Haus geworfen und sich seinen jungen Deputy geangelt hat, so dass er im Büro schlafen muss.

Einmal mehr zeichnet Freeman seinen lakonische­n Sheriff Wing als lebenserfa­hrenen Stoiker, den so schnell nichts aus der Ruhe bringt. Bis der Leser feststelle­n muss, dass er vom Autor aufs Glatteis geführt wurde. Der Roman ist reifer, literarisc­her als die Vorgänger. Obwohl Freeman versteht, die Spannung zu halten, geht es ihm weniger darum, einen Thriller zu schreiben, als vielmehr um eine muntere Milieustud­ie der amerikanis­chen Provinz. Das Setting ist filmreif, Freemans Humor herzerfris­chend und abgründig. Die Dialoge sind subtil, die Charaktere kauzig. (grom)

Castle Freeman: Der Klügere lädt nach, Nagel & Kimche, 204 Seiten, 19 Euro.

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