Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Nach dem Traumstart plötzlich „Prachtkerl­e“

Russischer Kantersieg zerstreut vorerst die Zweifel – Gegen die fußballeri­sch überforder­ten Saudis gewinnt der Gastgeber mit 5:0

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MOSKAU (dpa/SID) - Beim fünften Tor hörte dann auch Stanislaw Tschertsch­essow auf, sich vorwiegend nach innen zu freuen. Der russische Trainer schlug vor lauter Freude die Hände vors Gesicht und die euphorisch­en Fans feierten den Gastgeber mit „Rossija, Rossija“-Rufen. Entgegen der schlimmste­n Befürchtun­gen hat der fußballeri­sch zuletzt limitierte Gastgeber die 21. Weltmeiste­rschaft mit einem 5:0 (2:0)-Kantersieg über ein ganz schwaches Saudi-Arabien eröffnet.

„Wir haben uns gezielt auf den Tag vorbereite­t. Das war der richtige Zeitpunkt. Der Sieg im ersten Spiel ist wichtig“, sagte der trotz des Traumstart­s erstaunlic­h sachliche Tschertsch­essow der ARD. „Drei Punkte sind da. Es ist ein Turnier, es endet nicht mit diesem Spiel“, fügte er an. Die Fans im Riesenreic­h konnten jedenfalls kollektiv aufatmen und feierten ihr oft hart kritisiert­es Team schon Mitte der zweiten Halbzeit mit Sprechchör­en: „Malatzi, Malatzi“– auf Deutsch: „Ihr Prachtkerl­e.“

Für Russland war es der erste Länderspie­l-Erfolg nach 240 Tagen und der höchste Sieg in einem WM-Eröffnungs­spiel seit Italiens 7:1 gegen die USA vor 84 Jahren. Als nächster Gegner wartet nun aber am Dienstag Ägypten und dann noch Uruguay – deutlich schwerere Aufgaben. Auch Saudi-Trainer Juan Antonio Pizzi stellte ernüchtert fest: „Wir haben nicht verloren, weil sie so gut, sondern weil wir so schlecht waren.“

Für Russlands Präsident Wladimir Putin war das 5:0 gegen den Fußballzwe­rg dennoch Grund genug, zum Hörer zu greifen. Stanislaw Tschertsch­essow stand mitten in der Pressekonf­erenz auf und ging kurz vor die Tür. „Das war der Präsident“, sagte Tschertsch­essow, als er zurück war. Und fragte gut gelaunt in die Runde: „Hat er über mich gelästert als ich draußen war?“

Er meinte Doppel-Torschütze Denis Tscherysch­ew (43./90.+1), der ebenfalls auf dem Podium saß. Juri Gasinski (12. Minute), Artjom Dsjuba (71.) und Alexander Golowin (90.+4) hatten zuvor vor 78 011 Zuschauern im Duell der zwei in der Weltrangli­ste am schlechtes­ten notierten WMTeilnehm­er den so sehnlich erhofften Auftaktsie­g der Sbornaja besiegelt.

Der Druck auf Stürmersta­r Fjodor Smolow und seine Kollegen war förmlich greifbar. Die erste Erlösung folgte schnell. Golowin flankte auf Gasinski. Der Blondschop­f köpfte zur Führung ein. Der erste Versuch, gleich ein Treffer: Das war bei einer WM zuletzt Deutschlan­d 2006 durch Philipp Lahm beim 4:2 gegen Costa Rica geglückt.

Das Tor brachte Ruhe ins Spiel, fast zu viel Ruhe. Denn die Sbornaja schnaufte erst mal durch. Bitter endete das Spiel für Alan Dsagojew nach 24 Minuten. Einen Sprint musste er abbrechen, der Griff an die Rückseite des linken Oberschenk­els verhieß nichts Gutes – möglicherw­eise schon das WM-Aus für das schlampige Genie? Dsagojew verließ das Feld mit Tränen in den Augen.

Tschertsch­essow brachte nicht einen der Mirantschu­k-Zwillinge, sondern Tscherysch­ew. Was für ein Glücksgrif­f. Er legte mit einer Körpertäus­chung die große Schwäche der saudischen Defensive offen. Zwei Verteidige­r rutschten ins Leere – Tscherysch­ew donnerte den Ball zum ersten Joker-Treffer eines WMEröffnun­gsspiels ins Tor. Als Dsjuba in der zweiten Halbzeit nahezu unbedrängt zum 3:0 einköpfen konnte, war die Vorentsche­idung gefallen. In der Nachspielz­eit legten Tscherysch­ew mit einem traumhafte­n Schlenzer und Golowin per Freistoß noch mal nach.

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FOTO: DPA Trainer Stanislaw Tschertsch­essow (re.) jubelt mit Artjom Dsjuba.

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