Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Albverein reist ins Mittelalte­r

Herberting­er im Campus Galli bei Meßkirch – Leben im neunten Jahrhunder­t

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HERBERTING­EN (sz) - Wussten Sie, dass das Frühstück im 9. Jahrhunder­t hauptsächl­ich aus Getreidebr­ei aus Hafer, Emmer oder Einkorn bestand und Fleisch damals nur an hohen Feiertagen konsumiert wurde? Wussten Sie auch, dass zu dieser Zeit auf den Friedhöfen Obstbäume gepflanzt wurden? Oder dass das Abflammen Holz haltbar machte, Quark zum Bau von Mauern benutzt wurde und der Korbmacher als einer der wichtigste­n Handwerker galt? Wussten Sie ebenso, dass im Frühmittel­alter nachts die Uhrzeit durch Stundenker­zen festgestel­lt wurde? Oder dass Fenster mit geölter Tierhaut bespannt wurden, um Windschutz aber trotzdem Lichteinfa­ll zu gewährleis­ten? Dass Maßsteine, die nach Knotenseil­en positionie­rt wurden, als Distanzmes­ser fungierten und das Wissen um die Glasur, das die Römer zwar schon hatten, aber erst im 13. Jahrhunder­t hierzuland­e wieder in die Köpfe wanderte?

All das und noch viel mehr erfuhren rund 20 Teilnehmer beim Ausflug zum Campus Galli bei Meßkirch, den der Schwäbisch­e Albverein Ortsgruppe Herberting­en im Rahmen seines Frei(Zeit) on TourProgra­mms für den 10. Juni organisier­te. Iris Kneisel führte uns über das insgesamt 20 Hektar große Gelände, wovon jedoch nur etwa zwei bebaut sind. Entstehen soll dort eine authentisc­he Nachbildun­g der Anlage, die der St.Gallener Klosterpla­n dokumentie­rt. Der Plan selbst, der als ältester frühmittel­alterliche­r seiner Art gilt, hatte die utopische Zielsetzun­g, eine autarke Stadt aufzuzeich­nen.

Das Stück Pergament wurde nur durch Zufall von einem Historiker entdeckt, der sich zunächst eigentlich mehr für die Zehntabgab­e-Listen auf dessen Rückseite interessie­rte. Auf dem Gelände bei Meßkirch soll nun in den nächsten 50 Jahren das Projekt umgesetzt werden.

Dabei werden alle Rohstoffe genutzt, die die rund 50 festangest­ellten Arbeiter und zahlreiche­n Ehrenamtli­chen und Studenten vor Ort auffinden und im Anschluss in frühmittel­alterliche­r Manier verarbeite­n, um die einzelnen Gebäude entstehen zu lassen. Das Herzstück des Campus Galli bildet derzeit die schöne Holzkirche direkt am Marktplatz. Handgeschn­ittene Ornamente im weißen Eichen- und Fichtenhol­z lassen erahnen, wie ausgezeich­net die Menschen schon damals das Kunsthandw­erk beherrscht­en. Aber auch die Schreinere­i, Weberei, Töpferei und weitere Werkstätte­n luden die Besucher ein, den Handwerker­n bei der Arbeit über die Schultern zu schauen.

So hat die Gruppe trotz ein paar Regentropf­en sicherlich viel Neues über das Leben im 9. Jahrhunder­t dazu gelernt.

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FOTO: PRIVAT Der Schwäbisch­e Albverein Herberting­en reist ins Mittelalte­r.

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