Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Planung nach den Linien des Lichts
Kunstschmied Peter Klink entschlüsselt Bad Saulgaus mittelalterliches Stadtbild.
BAD SAULGAU - Wie ist Bad Saulgau zu Zeiten der Zünfte und Handwerker gewachsen? Der Kunstschmied und Restaurator Peter Klink (57) aus Denkingen bei Pfullendorf glaubt, eine Art Code entdeckt zu haben, der erklären könnte, wie in der Zeit vor der Renaissance Städte planvoll entstanden sind. Handwerker hätten nicht planlos gebaut, wie viele glauben. Sie richteten Häuser und Gassen nach dem Licht aus, orientierten sich an wichtigen kirchlichen Feiertagen, meint Klink. Bad Saulgau hält er für ein gutes Beispiel für seine These, gerade im Zusammenhang mit Johanni.
Warum Johanni? Das kirchliche Fest des Schutzpatrons der Bad Saulgauer Sankt-Johannes-Kirche unmittelbar nach der Sommersonnwende sei von großer Bedeutung, sagt Klink. „In der Zeit zwischen dem 21. Juni, der Sommersonnwende, und dem 24. Juni, dem Johannistag, sind die Tage am längsten. Die Lichtverhältnisse in diesen wenigen Tagen sind relativ konstant.“Licht war wichtig, musste bestmöglich ausgenutzt werden. Daran hätten sich die Handwerker in Zünften orientiert. Sie hielten sich dabei an die Hochfeste von Patronen und Schutzheiligen. Und der Heilige Johannes sei auch für die Handwerker als Patron von großer Bedeutung. Klink sieht in Stadtbefestigung und Plätzen in Bad Saulgau eine vernünftige Gestaltung nach diesen Prinzipien.
Die Zünfte richteten ihre Gebäude und Gassen so aus, dass sie an langen Tagen – in der Zeit zwischen dem 21. Juni (Sommersonnwende) und Johanni (24. Juni) – und an den kurzen – die Zeit zwischen dem 22. Dezember (Wintersonnwende) und Weihnachten – möglichst lange von dem Licht profitieren konnten. So sei die Marktstraße (wohl die heutige Hautpstraße) gut mit Licht versorgt gewesen. Als wichtige Orientierungspunkte dieser Planung vermutet Klink zwei Stellen: Den Kirchturm und das Vorzeichen der Kirche. „Der Kirchturm diente früher als Wachturm für die Stadt und ist älter als die Kirche”, vermutet Klink. Auch beim Vorzeichen geht Klink davon aus, dass es älteren Datums ist als die Kirche. Noch eine überraschende Entdeckung machte Klink. Die Beziehungen der Fixpunkte zu markanten Punkten der Stadtbefestigung, etwa frühere Türme und Tore, ergäben die Form eines Pentagramms, einen Fünfzack. Das findet sich in den Wappen der Freimaurer und Zünfte wieder.
Klink sieht starkte Indizien
Es ist eine These, so Klink. Aber der Denkinger Kunstschmied untermauert sie mit Beobachtungen, starken Indizien. „Das kann kein Zufall sein“, sagt er. Dokumente über solche Planungen existieren freilich nicht. Klink versucht den Plan der Handwerker und Zünfte aus dem Stadtbild herauszulesen, studierte alte Karten, fotografiert, zeichnet die Linien des Lichts in Pläne und versucht, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Seine These liegt im Widerspruch zur Meinung seiner Dozenten am „Centro Europeo“. Für dieses Institut in Venedig hat Peter Klink 1989 ein UNESCO-Stipendium erhalten. Dort wurde gelehrt, dass Städte erst mit der Renaissance und der Wiedergeburt der Planungskunst der Antike vernünftig geplant wurden. Je stärker sich Klink aber Städte mit einem mittelalterlichen Stadtkern anschaute, desto stärker waren die Zweifel. „Zünfte und Handwerker haben keine schriftlichen Dokumente hinterlassen. Aber ich glaube, sie wurden bislang unterschätzt”, sagt er. Inzwischen findet Peter Klink viele, die ihm zuhören. Dem Bad Saulgauer Stadtbaumeister Pascal Friedrich hat er seine Idee schon vorgestellt. „Er hat gesagt, dass er es sehr schlüssig findet”, sagt Klink. Andere zweifeln.
Klinks Handicap: Mit schriftlichen Belegen kann er nicht aufwarten. In den Zünften wurde Wissen und Kompetenz an die kommenden Generationen in mündlicher Überlieferung weitergegeben.
„Saulgau wäre es wert, dass man es einmal beleuchtet”, sagt Klink. Wie in Pfullendorf habe es keine Stadterweiterung gegeben. Das seien gute Voraussetzungen, um das Planvolle zu entschlüsseln. Klink macht überregional auf seine These aufmerksam. Im Jahr 2015 veranstaltete er in Pfullendorf ein Symposium. Inzwischen erhält er eine Vielzahl von Einladungen zu Vorträgen, unter anderem referiert er an der Uni Erlangen, in Isny und in Amberg in der Oberpfalz.