Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Ein frischer Blick auf den Flugradbauer Gustav Mesmer
Der Schussenrieder Pfarrer i. R. Ulrich Mack beleuchtet in einem neuen Buch die relegiösen Hintergründe des „Ikarus vom Lautertal“
BAD SCHUSSENRIED/ALTSHAUSEN - Ulrich Mack hat in Bad Schussenried sein Buch „Flugradbauer – Privatmönch - Visionär: Gustav Mesmer, sein religiöses Suchen und Denken“vorgestellt. Der Flugradbauer und Zeichner, Erfinder und Künstler Gustav Mesmer aus Altshausen steht meist mit seinem Wirken im Fokus – sein religiöser Hintergrund bleibt eher unbeachtet. Dabei sind Mesmers Novizentum im Kloster Beuron und sein rebellisches Aufbäumen in der Altshauser Kirche Grund genug, genauer auf seinen Glauben zu schauen.
Ulrich Mack ist Pfarrer im Ruhestand und war sechs Jahre lang Klinikseelsorger im Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg (ZfP) in Bad Schussenried. Als Theologe und Patientenfürsprecher für psychisch Kranke für den Landkreis Biberach bietet sich ihm ein besonderer Blick auf den berühmt gewordenen Bürger der Stadt Bad Schussenried und Psychiatriepatienten Mesmer.
Bei der Buchvorstellung, die selbstredend im Gustav-MesmerHaus des ZfP stattfand, erzählte Mack von der Entstehung. Dass er nicht immer nur unter der Nachbildung eines Mesmer’schen Flugrades hindurchlaufen wollte. Dass er in Buttenhausen im Nachlass Mesmers stöbern durfte. Dass ihm ein Archivar im Kloster Beuron über den Novizenalltag berichtete. Dass ihm Einblick in Krankenakten gewährt worden sei.
Unaufgeregt und mit leiser Stimme berichtet er vor kleinem Publikum von seiner Annäherung an den religiösen Lebensweg des charmanten Grüblers. „Seine Antworten stellten ihn zufrieden“, ist sich Mack sicher. „Sie stärkten seinen eigenen Glauben.“Innerlich zufrieden und ausgeglichen sei er gewesen, denn: „Er hat sich mit Ausdauer und Hingabe einen individuellen Glauben erarbeitet und man kann ihn einen spirituell begabten Menschen nennen.“
Bisher unveröffentlichte Handschriften des Korbflechters Mesmer führen zu interessanten Gedankenspielen, und der Autor betont, dass Gustav Mesmer andere zum Nachdenken motivieren wollte. „Leset hier für euch zur Einsicht“, habe er über seinen Aufzeichnungen notiert und sich als „Berufslaienbruder“mit einer neuen „Ordensgemeinschaft“gesehen.
Leicht zu lesen ist das Buch gewiss nicht. Die kreativen Wortschöpfungen und sprachlichen Umwege des berühmten Psychiatriepatienten erschließen sich nur in kleinen Portionen. Ulrich Macks Beitrag zur Aufarbeitung benennt Mesmers empfundene Schande durch die psychische Erkrankung, die Ausgrenzung und Bevormundung durch die Institution. Und der Autor betrachtet Mesmers Traum vom Fliegen als symbolischen Ausdruck seiner gewonnenen religiösen Erkenntnisse.
Mack stellt Beziehungen zu Bibelstellen her, gibt Mesmers Visionen von einer Friedenskirche Raum und nennt das Buch einen Beitrag zur Entstigmatisierung psychisch erkrankter Menschen. Von sozialem Absturz und Würde ist die Rede und von Versöhnung. Es wird aber auch der Versuch gemacht, zwischen Gustav Mesmer, dem Leser und der Sinnhaftigkeit des Lebens eine Verbindung herzustellen. Ulrich Mack gelingt eine Recherche, die auf 112 Seiten berühren und aufrütteln kann.
Die Anwesenheit des Albert Arnold gab der kleinen Lesung einen besonderen Rahmen. Er war seinerzeit Pfleger in der Psychiatrie Weissenau und berichtete gerne von Spaziergängen und Gesprächen mit Mesmer. „Das entspricht der vollen Wahrheit, was Sie geschrieben haben“, bestätigte er.
Ulrich Mack: Flugradbauer – Privatmönch – Visionär: Gustav Mesmer, sein religiöses Suchen und Denken. Verlag: Psychiatrie und Geschichte. Gebundene Ausgabe: 112 Seiten. 17,90 Euro (ISBN-10: 978-3931200237).