Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Glaube bleibt ein Geschenk
Laut einer aktuellen Umfrage glauben in Deutschland 58 Prozent der Befragten an Gott. Was glauben die anderen 42 Prozent? Darf man sie deshalb als „Ungläubige“abstempeln? Nein, dass ist unsinnig! Da ist äußerste Vorsicht und Zurückhaltung geboten, weil zum Beispiel alle Atheisten sich irgendwann einmal mit Gott beschäftigt haben und zu der Erkenntnis gekommen sind, dass Gott gar nicht existiert.
Dann gibt es eine große Dunkelziffer jener Menschen, welche den breit gefächerten Strömungen des Aberglaubens anhängen. Hier sei die große Zahl der Anhängerinnen und Anhänger genannt, die in der Astrologie ihr Seelenheil, das heißt in der Konstellation der Gestirne und Planeten suchen und gefunden haben. Wieder andere bekennen sich zum Kartenlegen oder lassen das Pendel sprechen, um einen Bezug zum wahren Leben zu finden. Zu dieser Thematik sollten Christinnen und Christen klar Stellung beziehen, aber nicht mit dem erhobenen Zeigefinger.
Es sei darauf hingewiesen, das Jesus einmal von seinen Jüngern zur Rede gestellt wird, weil sie mitbekommen haben, dass es damals schon Zeitgenossen gab, die im Namen Jesu auftraten und offenbar auch Gutes tun konnten und sogar Wunder vollbringen konnten. Auf diese beinahe vorwurfsvollen, kritischen Stimmen aus den eigenen Reihen, reagierte Jesus mit einer erstaunlich präzisen Aussage: „Wer nicht gegen uns ist, der ist für uns.“Basta! Wer also die Werte Jesu in Anspruch nimmt, ist akzeptiert und zwar ohne Wenn und Aber.
Die Wege und Verzweigungen des Glaubens, ja selbst die Einbahnstraßen, können offenbar so unterschiedlich sein, dass wir Menschen darüber nur mit dem Kopf schütteln können; was Gott daraus machen kann und wird, entzieht sich unserer Vorstellungskraft, überschreitet oft die menschlichen Denkschemata. Glauben kann frau/man sich nicht zurechtlegen nach Gefühl oder Gutdünken und Stimmungslage. Da spielt noch ein Faktor mit, den wir Christenmenschen gerne übersehen. Oft kann man auch den Eindruck gewinnen, die christlichen Kirchen hätten so eine Art Pachtvertrag mit Gott abgeschlossen. Nein.
Ganz persönliche Beziehung
Die Beziehung zwischen Gott und dem Menschen ist zuerst eine ganz persönliche, da passt kein Blatt Papier mehr dazwischen. „Niemand kommt zum Vater denn durch mich“und „Niemand kennt den Sohn als nur der Vater“; direkter geht es nicht mehr, wie Jesus in diesen beiden Aussagen Glaubensgrundsätze kurz und bündig erklärt. Erst danach spielt die Gemeinschaft der Gläubigen, die Gemeinde, die Kirchengemeinde eine Rolle. An diesem Glaubensverständnis kranken unsere beiden großen christlichen Kirchen.
Das ist der Grund, warum wir in letzter Konsequenz – die evangelische und die katholische Kirche – immer noch getrennte Wege gehen. Wenn die beiden großen christlichen Gemeinschaften in unserem Lande sich nicht einig werden können oder nicht wollen, werden sie mehr und mehr in der Versenkung verschwinden und in unserer Gesellschaft eines nicht allzu fernen Tages nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Das sogenannte christliche Abendland wäre dann, um es etwas salopp auszudrücken „der Schnee von gestern.“
Wollen wir als Christinnen und Christen der Schnee von gestern sein? Vor vielen Jahren hat sich ein Publizist über den christlichen Glauben sinngemäß so ausgedrückt: „Die Christenheit hat ein derart großes Potenzial anzubieten, warum wuchert sie nicht damit? Was die Welt doch braucht, ist jene Hoffnung, die durch Jesus Christus in die Welt gekommen ist.“Wenn diese Erkenntnis über eine Hoffnung Außenstehende äußern, dann wird Glaube erst recht immer wieder aufs Neue zu einem Geschenk.