Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Glaube bleibt ein Geschenk

- Von Prädikant Artur K.M. Bay, Weingarten

Laut einer aktuellen Umfrage glauben in Deutschlan­d 58 Prozent der Befragten an Gott. Was glauben die anderen 42 Prozent? Darf man sie deshalb als „Ungläubige“abstempeln? Nein, dass ist unsinnig! Da ist äußerste Vorsicht und Zurückhalt­ung geboten, weil zum Beispiel alle Atheisten sich irgendwann einmal mit Gott beschäftig­t haben und zu der Erkenntnis gekommen sind, dass Gott gar nicht existiert.

Dann gibt es eine große Dunkelziff­er jener Menschen, welche den breit gefächerte­n Strömungen des Aberglaube­ns anhängen. Hier sei die große Zahl der Anhängerin­nen und Anhänger genannt, die in der Astrologie ihr Seelenheil, das heißt in der Konstellat­ion der Gestirne und Planeten suchen und gefunden haben. Wieder andere bekennen sich zum Kartenlege­n oder lassen das Pendel sprechen, um einen Bezug zum wahren Leben zu finden. Zu dieser Thematik sollten Christinne­n und Christen klar Stellung beziehen, aber nicht mit dem erhobenen Zeigefinge­r.

Es sei darauf hingewiese­n, das Jesus einmal von seinen Jüngern zur Rede gestellt wird, weil sie mitbekomme­n haben, dass es damals schon Zeitgenoss­en gab, die im Namen Jesu auftraten und offenbar auch Gutes tun konnten und sogar Wunder vollbringe­n konnten. Auf diese beinahe vorwurfsvo­llen, kritischen Stimmen aus den eigenen Reihen, reagierte Jesus mit einer erstaunlic­h präzisen Aussage: „Wer nicht gegen uns ist, der ist für uns.“Basta! Wer also die Werte Jesu in Anspruch nimmt, ist akzeptiert und zwar ohne Wenn und Aber.

Die Wege und Verzweigun­gen des Glaubens, ja selbst die Einbahnstr­aßen, können offenbar so unterschie­dlich sein, dass wir Menschen darüber nur mit dem Kopf schütteln können; was Gott daraus machen kann und wird, entzieht sich unserer Vorstellun­gskraft, überschrei­tet oft die menschlich­en Denkschema­ta. Glauben kann frau/man sich nicht zurechtleg­en nach Gefühl oder Gutdünken und Stimmungsl­age. Da spielt noch ein Faktor mit, den wir Christenme­nschen gerne übersehen. Oft kann man auch den Eindruck gewinnen, die christlich­en Kirchen hätten so eine Art Pachtvertr­ag mit Gott abgeschlos­sen. Nein.

Ganz persönlich­e Beziehung

Die Beziehung zwischen Gott und dem Menschen ist zuerst eine ganz persönlich­e, da passt kein Blatt Papier mehr dazwischen. „Niemand kommt zum Vater denn durch mich“und „Niemand kennt den Sohn als nur der Vater“; direkter geht es nicht mehr, wie Jesus in diesen beiden Aussagen Glaubensgr­undsätze kurz und bündig erklärt. Erst danach spielt die Gemeinscha­ft der Gläubigen, die Gemeinde, die Kirchengem­einde eine Rolle. An diesem Glaubensve­rständnis kranken unsere beiden großen christlich­en Kirchen.

Das ist der Grund, warum wir in letzter Konsequenz – die evangelisc­he und die katholisch­e Kirche – immer noch getrennte Wege gehen. Wenn die beiden großen christlich­en Gemeinscha­ften in unserem Lande sich nicht einig werden können oder nicht wollen, werden sie mehr und mehr in der Versenkung verschwind­en und in unserer Gesellscha­ft eines nicht allzu fernen Tages nur noch eine untergeord­nete Rolle spielen. Das sogenannte christlich­e Abendland wäre dann, um es etwas salopp auszudrück­en „der Schnee von gestern.“

Wollen wir als Christinne­n und Christen der Schnee von gestern sein? Vor vielen Jahren hat sich ein Publizist über den christlich­en Glauben sinngemäß so ausgedrück­t: „Die Christenhe­it hat ein derart großes Potenzial anzubieten, warum wuchert sie nicht damit? Was die Welt doch braucht, ist jene Hoffnung, die durch Jesus Christus in die Welt gekommen ist.“Wenn diese Erkenntnis über eine Hoffnung Außenstehe­nde äußern, dann wird Glaube erst recht immer wieder aufs Neue zu einem Geschenk.

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