Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Robin und die starken Frauen
„Robin Hood“feiert in der Fassung von Luna Selle auf der Waldbühne Premiere – Inszenierung ist spannend
SIGMARINGENDORF - Es ist eine zynische kleine Clique aus Adel und Klerus, die sich um einen völlig unfähigen und tyrannischen König schart und überlegt, wie sie der verarmten Landbevölkerung auch noch den letzten Penny aus der Tasche ziehen kann. Und es ist Robert of Woodstock, der als Robin Hood nicht nur für Gerechtigkeit und bessere Lebensbedingungen kämpft, sondern auch gleich noch den politischen Umsturz vorbereitet.
So weit, so bekannt – und doch eben nicht. Am Samstagabend hat „Robin Hood“in der von Regisseurin Luna Selle selbst geschriebenen Fassung auf der Sigmaringendorfer Waldbühne Premiere gefeiert. Selle verfrachtete den wohl schon hundertfach erzählten Stoff in die Zeit König Richards II. und verwob Robins Geschichte mit der tatsächlichen Politik dieser Zeit. So springt die Handlung zwischen diesen beiden Polen hin und her, und sie tut das sehr gekonnt – obwohl die Akteure einem streckenweise leid tun können. Was für eine Textmenge, was für komplizierte Aufzählungen von Adligen und ihren Beziehungen zueinander. Wer ist hier wessen Neffe, Onkel, Sohn oder Cousin sechsten Grades? Zum Verständnis der Handlung ist das zum Glück nicht entscheidend.
Der Duke of Norfolk (Andreas Bauer) ist es jedenfalls, der den Widerling John Manrick (richtig schön fies: Joachim Ott) als Sheriff von Nottingham für Recht und Ordnung sorgen lässt. Tatsächlich verbreitet er unter der Landbevölkerung zunehmend Angst und Schrecken und wirft auch Robin (sehr glaubwürdig: Tobias Kock) ins Verlies, der nach dem Mord an seinem Vater Gerechtigkeit sucht. Doch Manrick hat seine Rechnung ohne Lady Marian (Madeleine Gasser) gemacht: Sie befreit Robin, der nun, völlig mittellos, von misstrauischen, aber anständigen Bauern aufgenommen wird. Dort erfährt er am eigenen Leib, wie schlecht es den unteren Gesellschaftsschichten im Land geht. Während sich die herrschende Klasse die Taschen vollmacht, reicht es bei ihnen kaum zum Überleben. Robin baut mit den Männern und Frauen bessere Waffen und bringt ihnen das Kämpfen bei. Gemeinsam erobern sie so ein ums andere Mal die Truhen voller Schmuck und Geld zurück, die die Schergen des Sheriffs zuvor eingetrieben haben.
Zwei Hühner büchsen aus
Heimlicher Star des Stückes ist Bruder Tuck (zum Schießen komisch: Alexander Ziser), der als vermeintlich tolpatschiger Mönch einen wichtigen Beitrag zum Showdown liefert. Heimliche Heldin des Stückes und damit neben Lady Marian die zweite Frau, die der Geschichte die entscheidende Richtung gibt, ist Alice (schön resolut: Nadja Kiesewetter). Als Frau, die nach dem Mord an ihrem Mann durch die Obrigkeit sowieso nichts mehr zu verlieren hat, ist sie es, die Robin voller Kampfgeist in die gefährlichste Situation der Handlung begleitet – und das auch noch beinahe mit dem eigenen Leben bezahlt.
Die Rollen sind wieder mit gutem Gespür besetzt. Den Schauspielern ist überhaupt ein großes Kompliment zu machen: Sie alle verleihen ihren Figuren auf ganz individuelle Weise genau das Leben, das diese brauchen. Mal bitterböse, mal kämpferisch, mal liebevoll, komisch oder kindisch. Und sie lassen sich selbst dann nicht aus der Ruhe bringen, wenn zwei Hühner aus ihrem Käfig ausbüchsen, gackernd quer über die Bühne laufen und das Publikum sich das Lachen nicht verkneifen kann.
Requisite, Kostüme, Musik, Effekte und spannende Kampfszenen tun ihr Übriges dazu, um den Zuschauer tief in die mittelalterliche Welt von Robin Hood eintauchen zu lassen. Spannung und Intrigen, aber auch eine Spur Romantik und eine Handvoll Witz machen diese Inszenierung zu einem Stück guter Unterhaltung.