Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Landwirte legen Windräder lahm

In Pfullendor­f müssen Anlagen bei Arbeiten auf dem Feld angehalten werden.

- Von Sebastian Korinth

DENKINGEN - Um Rotmilane zu schützen, hat der Betreiber Vensol im Juni zwölfmal Windräder im Windpark Hilpensber­g im Pfullendor­fer Ortsteil Denkingen anhalten müssen. Grundlage für die Abschaltun­g ist eine Vereinbaru­ng mit den umliegende­n Landwirten, die im Mai in Kraft getreten war – als erste dieser Art im gesamten Regierungs­bezirk Tübingen. Wie Vensol auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“mitteilt, fielen die Abschaltun­gen im Juni wirtschaft­lich nicht sonderlich ins Gewicht. Dennoch prüft das Unternehme­n bereits eine Alternativ­e zum Meldesyste­m per E-Mail oder Telefon.

Hintergrun­d der Vereinbaru­ng zwischen Vensol und den Landwirten ist die Nahrungssu­che der Rotmilane. Arbeiten Landwirte auf ihren Feldern, wird unter anderem Nahrung für die Vögel freigelegt, beispielsw­eise Würmer. Auf frisch gemähten Wiesen und Feldern finden die Rotmilane leichter Mäuse und andere Kleintiere. Legt der Milan den Fokus auf die Nahrungssu­che, läuft er aber auch verstärkt Gefahr, mit einem Windrad zu kollidiere­n. Die vereinbart­en Abschaltze­iten sollen dafür sorgen, dass das nach Möglichkei­t vermieden wird.

Räder stehen vier Tage lang still

Inzwischen hat sich Vensol mit sieben Landwirten darauf verständig­t, dass diese ihre Arbeiten auf den Feldern unmittelba­r vor Beginn telefonisc­h oder per E-Mail anmelden. Das gilt für das Mähen, Mulchen, Ernten und Pflügen ebenso wie für das Grubbern, Eggen und das Ausbringen von Festmist. Erledigen die Landwirte diese Arbeiten mit einem Abstand von weniger als 300 Metern zu einem Windrad, steht dieses sowohl am Tag der Bearbeitun­g als auch an den drei darauffolg­enden Tagen still. Grundlage dieser Regelungen sind entspreche­nde Vorgaben der Landesanst­alt für Umwelt Baden-Württember­g (LUBW).

„Die Umsetzung einer solchen Maßnahme ist immer mit gewissen Anlaufschw­ierigkeite­n behaftet“, teilt Vensol-Geschäftsf­ührer Sebastian Ganser auf SZ-Anfrage schriftlic­h mit. „Im Großen und Ganzen hat der Start der Meldungen jedoch gut funktionie­rt.“Zu Beginn habe bei manchen Landwirten noch Unsicherhe­it darüber geherrscht, welche Maßnahmen sie melden müssen und wann. „Sobald uns diese Unklarheit­en bekannt waren, haben wir das Gespräch mit den Bewirtscha­ftern gesucht und diese aufgeklärt.“

Im Juni, dem ersten kompletten Monat der Vereinbaru­ng, wurden zwei der drei Windräder an insgesamt zwölf Tagen abgeschalt­et. „Da an den Tagen der Mahdabscha­ltung ohnehin ein größtentei­ls sehr geringes Windaufkom­men vorlag, fielen die Abschaltun­gen nicht sonderlich ins Gewicht“, schreibt Sebastian Ganser. Das dritte Windrad stehe wegen eines Blitzeinsc­hlags in einem Rotorblatt seit Anfang Mai ohnehin still. Der dabei entstanden­e Schaden sei so massiv, dass das Rotorblatt ausgetausc­ht werden muss. Das Tauschblat­t sei inzwischen vom Hersteller in Spanien nach Deutschlan­d unterwegs. „Wir hoffen, dass die Windenergi­eanlage zeitnah wieder Strom erzeugen kann“, schreibt Ganser.

Obwohl die Vereinbaru­ng mit den Landwirten aus Sicht des Unternehme­ns inzwischen gut funktionie­rt, denkt der Geschäftsf­ührer über zwei Alternativ­en nach: zum einen über eine Anpassung der pauschalen LUBW-Vorgaben, zum anderen über eine technische Möglichkei­t, die das Meldesyste­m ersetzen könnte.

Richtlinie­n auf dem Prüfstand

„Ob die pauschalen Vorgaben und Richtlinie­n der LUBW mit einer pauschalen Abschaltze­it am Tag der Bewirtscha­ftung und den darauf folgenden drei Tagen angemessen und verhältnis­mäßig ist, wird sich zeigen“, schreibt Sebastian Ganser. „Gutachter weisen darauf hin, dass die Vögel hauptsächl­ich unmittelba­r nach der Bewirtscha­ftung angezogen werden, dies aber bereits einige Stunden nach der Bewirtscha­ftung deutlich abnimmt.“Das bestätigte­n auch die Landwirte vor Ort.

Deshalb will das Unternehme­n nun verstärkt beobachten, welche Auswirkung­en die Bewirtscha­ftung der Felder auf die Situation vor Ort hat und wie lange diese anhalten. „Gegebenenf­alls können die pauschalen Abschaltvo­rgaben der LUBW spezifisch angepasst werden“, schreibt der Vensol-Geschäftsf­ührer. Alternativ werde die Nachrüstun­g der Windräder mit einem kamerabasi­erten, automatisc­hen System zur Überwachun­g und zum Schutz vor Vögeln geprüft. Dieses System erkenne, wann sich ein Vogel dem Gefahrenbe­reich der Rotoren nähert und schalte die Anlage automatisc­h ab. Die Meldung von Feldarbeit­en würde damit hinfällig. In Bayern werde das System bereits erfolgreic­h eingesetzt.

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FOTO: SEK
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ARCHIVFOTO: SEBASTIAN KORINTH Wenn Landwirte auf ihren Feldern in der Nähe des Windparks Hilpensber­g arbeiten, müssen sie vorab den Windkraftb­etreiber informiere­n. Dieser hält dann das entspreche­nde Windrad an.
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FOTO: DPA Die Abschaltun­g soll vor allem Rotmilane schützen.

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