Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Gottes Hausgenossen
Liebe Leserinnen und Leser, ich grüße Sie mit dem Wochenspruch aus dem zweiten Kapitel des Epheserbriefs, der am Sonntag in unseren Gottesdiensten verlesen wird: „So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen.“
Dieses Wort spricht mitten hinein in die Debatten und Diskussionen, die uns seit Monaten umtreiben. Wir Deutschen diskutieren gerade über die „Fremdlinge“in unserem Land. Die Christlich-Soziale Union in unserem Nachbarbundesland möchte aus Angst vor einem drohenden Machtverlust, diese Fremdlinge schnellstmöglich in Busse setzen und aus unserem Land fahren lassen.
Doch die Angst vor „Fremdlingen“erfasst nicht nur uns in Deutschland: Italien schottet sich vor dem Massensterben auf dem Mittelmeer ab, in den Vereinigten Staaten, die jahrhundertelang Flüchtlinge aus Europa aufgenommen haben, kommt es zu schrecklichen Szenen, wenn gesamte Familien gleich an der Grenze verhaftet werden. Der Wochenspruch spricht hier deutliche Worte: ihm zufolge sind die Fremdlinge Mitbürger und Hausgenossen. Sie stehen damit über dem Status als Gast und sind in die Gesellschaft integriert. Doch schon die Gastfreundschaft war in der Kultur der Bibel anders ausgerichtet als bei uns. In der Kultur der Bibel ist die Gastfreundschaft ein hoher Wert, der die Beziehung zwischen Gastgeber und Gast regelt und auf einer hohen Form von gegenseitigem Respekt basiert. So konnte damals jeder Reisende an einer Tür anklopfen und die Pflicht des Haushaltes war es, diesen Reisenden zu verköstigen und unterzubringen, bis er weiterreiste. Der Gast bekam nur die erlesensten Speisen und hatte den Ehrenplatz an der Tafel inne. Nach damaligem Glauben zog ein Bruch dieses Gastrechts auf beiden Seiten göttlichen Zorn nach sich. Und auf diesem Wertesystem basiert unser Text: Gäste und Gastgeber müssen sich an klare Regeln halten und dann liegt auf dem Zusammenleben ein guter Geist.
Interessant ist auch die Frage, wer denn der Gastgeber ist. Wir Menschen in Deutschland sind es nicht. Aber auch die Fremden sind es nicht, denn wir alle sind Gottes Hausgenossen. Der Hausherr unserer Welt ist Gott, womit der Vers im Bild des antiken Haushalts bleibt. Der Hausherr war in einem griechischen oder römischen Haus die absolute Machtinstanz. Er lebt nicht allein, sondern er wünscht sich Hausgenossen, Mitbewohner, die das Haus mit ihm bewohnen. Das ist der Auftrag jedes Menschen, Hausgenosse zu sein und einen respektvollen Umgang mit seinen Mitbewohnern und dem Haushalt zu pflegen.