Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Thema Pflanzenschutz polarisiert
Landwirt Manfred Missel will mit einem Schild Vorbehalte abbauen.
SIGMARINGEN/RULFINGEN - Landwirt und Agraringenieur Manfred Missel will die Bevölkerung über den Einsatz von Pflanzenschutz, also Spritzmittel, aufklären. Deshalb hat er auf zwei seiner Felder Einblicke in eine sogenannte Nullparzelle, ein etwa 20 auf 28 Meter großes Areal, abgesteckt, auf dem er die angebauten Kulturen sich selbst überlässt. So wächst am Schaukelweg derzeit Wintergerste, in Laiz beim Trimmdich-Pfad hat er Weizen angebaut. Das Feld sieht, im Gegensatz zu einem herkömmlich bewirtschafteten Feld, chaotisch aus. Unkraut wuchert zwischen den Ähren, die zum Teil zerdrückt am Boden liegen. Daneben steht ein Schild mit Aufschrift „Ernte in Gefahr“. Darauf sind unter anderem Statistiken zu Ernteeinbußen dargestellt, die belegen sollen, was passiert, wenn Bauern auf Spritzmittel verzichten: Bei Gerste wären das bis zu 50 Prozent Ertragseinbußen, bei Weizen noch mehr. Die Zahlen stammen laut der Initiative „Pflanzenschützer“vom Bundesministerium für Landwirtschaft. Hinter der Aktion steckt der Industrieverband Agrar mit Sitz in Frankfurt am Main. Laut dessen Angaben machen dieses Jahr 640 Bauern bei der Aktion „Schau ins Feld“mit, die 1200 Schaufelder angelegt haben. Manfred Missel ist einer davon.
Ins Gespräch kommen
Warum Manfred Missel einen Teil seines Felds und somit Ertrags opfert, um Leuten zu zeigen, was passiert, wenn man nicht spritzt oder nicht düngt? „Ich möchte gern mit Leuten ins Gespräch kommen und sie aufklären“, sagt er. Landwirte müssten sich oft für den konventionellen Anbau und vor allem den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln rechtfertigen. Dabei seien die Pflanzenschutzmittel in den vergangenen Jahrzehnten immer umweltverträglicher geworden, die ausgebrachten Dosen kleiner, erklärt Missel. Ökologische Landwirtschaft hingegen verzichtet auf den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln – der Rulfinger Landwirt Hubert Göhring findet: Es geht auch ohne.
Er betreibt Landbau mit BiolandSiegel und verzichtet auf chemischen Pflanzenschutz. Dafür variiert er die Fruchtfolgen auf dem Feld, um den Boden nährstoffreich und den Unkrautwuchs gering zu halten. Dadurch sei auch der Krankheitsdruck geringer als in der herkömmlichen Landwirtschaft, die Pflanzen resistenter. Er bestellt sein Feld jedes Jahr mit anderen Pflanzen, nach sieben Jahren beginnt die Fruchtfolge von vorn: Kleegras, Hanf, Weizen, Senf oder Ölrettich, KörnerleguminoseArten wie Erbsen, Lupinen oder Ackerbohnen, Roggen und schließlich Hafer.
Striegeln entfernt Unkraut
Unkraut werde durch das sogenannte Striegeln entfernt, bei dem Metallzinken das Unkraut mechanisch ausreißen. Göhrings Ertrag liege bei etwa der Hälfte von dem konventioneller Landwirte, er könne durch die Bioland-Zertifizierung aber mehr fürs Produkt verlangen und komme unterm Strich mindestens so gut weg, wie Bauern herkömmlicher Betriebe.
Manfred Missel möchte möglichst viel Ertrag erzielen. Bereits die Saat werde gebeizt und auf dem bearbeiteten Boden ausgebracht. Auf die noch jungen Pflanzen werde dann ein Herbizid oder bei Bedarf ein Fungizid gegeben, erklärt er. „Sonst müsste das Getreide mit dem wachsenden Unkraut um Licht, Nährstoffe und Wasser konkurrieren“, so der Laizer Landwirt. In diesem Jahr sei er auf den herkömmlichen Feldern mit einmal FungizidAusbringen gut zurecht gekommen. In anderen Jahren reiche das nicht.
Die Skepsis der Endverbraucher bezüglich des Einsatzes von Chemikalien könne Missel verstehen. Doch Landwirte würden nicht leichtfertig spritzen, sondern nur, wenn Notwendigkeit bestehe. Missel will auch auf die Situation der Landwirte aufmerksam machen, die unter großem Wettbewerb stünden und Getreide bester Qualität produzieren wollen – „für den Handel, nicht für die Biogasanlage oder als Tierfutter“.
Kupfer gilt als schädlich
Bioanbau ohne den Einsatz solcher Chemikalien hat in den Augen von Missel andere Nachteile: „Bio-Obstbauern setzen beispielsweise Kupferpräparate ein, die sich im Boden anreichern“, sagt Missel. Oder die Biobauern würden den Boden hacken und striegeln, um ihn zu lockern, was Erosionen fördern würde. Hubert Göhring hält dagegen, er sagt, dass das Striegeln im Gegenteil den Boden verfestige, weil Regenwasser eindringen könne. Kupfer setze er auch bei seinen Kartoffeln ein: „Die Anreicherung im Boden ist in der Tat sehr schädlich“, sagt er. Er bleibe daher unterhalb des halben vorgeschriebenen Richtwerts. „Auch im herkömmlichen Dünger für Sonderkulturen befindet sich Kupfer – der ohne Grenzwert ausgebracht werden darf“, entgegnet er.
Für Manfred Missel käme es nicht infrage, auf Biobetrieb umzusatteln: „Ich sehe den Ernährungsauftrag in der Landwirtschaft. In Mitteleuropa haben wir global gesehen die besten Bedingungen für Ackerbau.“Seinen Auftrag sehe er darin, möglichst viel zu produzieren, die weltweite Nachfrage nach Getreide zu decken.
Aus der Sicht von Hubert Göhring liegt die Zukunft der Landwirtschaft wiederum in der Nachhaltigkeit des Landbaus. „Konventioneller Anbau ist in meinen Augen nicht falsch – aber wir wissen heute mehr als noch vor 50 Jahren und es ist Zeit, umzudenken.“