Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Schwere Vorwürfe im Fall Sami A.
Nach Abschiebung des Islamisten verlangt der Landtag Aufklärung – Neuer Anlauf für Erweiterung der Liste sicherer Herkunftsländer
BERLIN - Nach der umstrittenen Abschiebung des Islamisten Sami A. verlangen Grüne und SPD im Düsseldorfer Landtag Aufklärung zu den Ungereimtheiten. Am Freitag soll sich der Rechtsausschuss in einer Sondersitzung mit dem Fall befassen. Unterdessen wurde bekannt, dass es einen weiteren Fall eines möglicherweise rechtswidrig abgeschobenen Flüchtlings gibt. Es handelt sich nach Recherchen des Senders NDR um einen Afghanen aus Mecklenburg-Vorpommern, der in der vergangenen Woche zusammen mit 68 Landsleuten nach Kabul zurückgebracht worden war. Das Verfahren, mit dem der 20-Jährige gegen seinen negativen Asylentscheid klagte, sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen gewesen.
Die Bundes-FDP nahm im Fall Sami A. den nordrhein-westfälischen Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) in Schutz. Sami A. wird als Gefährder eingestuft, dem die Sicherheitsbehörden eine schwere Straftat wie einen Anschlag zutrauen. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatte am Donnerstagabend entschieden, dass Sami A. weiterhin nicht abgeschoben werden dürfe, weil nicht auszuschließen sei, dass ihm in Tunesien Folter drohe. Jedoch übermittelte es den Beschluss erst am Freitagmorgen, als das Flugzeug mit Sami A. schon in der Luft war.
Bundesinnenminister und CSUChef Horst Seehofer wollte sich am Dienstag in Düsseldorf mit NRWFlüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP) treffen. Doch der lange geplante Termin wurde in letzter Minute abgesagt. Bei den Vorbereitungen seinen „zahlreiche Fragen offengeblieben“, heißt es in Düsseldorf. Neuer Termin: nach der Sommerpause.
Weicht der Innenminister Fragen aus, ob er mit der Abschiebung des Gefährders trotz des Vetos des Gelsenkirchener Verwaltungsgerichtes den Rechtsstaat gebeugt habe? Der Deutsche Anwaltsverein erhebt jedenfalls schwere Vorwürfe gegen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), das dem Bundesinnenministerium untersteht. Es werde immer klarer, dass das Bamf im gerichtlichen Verfahren das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen „getäuscht“habe, so Anwaltspräsident Ulrich Schellenberg.
Beer attackiert Seehofer
Die Liberalen versuchen, ihren Landesminister aus der Schusslinie zu nehmen. „Integrationsminister Stamp hat sich an Recht und Gesetz gehalten, weiteren Schaden vom Land und seinen Bürgern abgewendet“, sagt FDP-Generalsekretärin Nicola Beer. „Unklar“bleibe aber „die Rolle Seehofers und des Bamf“. Die Behörde gehöre dringend reformiert, „um ihrer Aufgabe gerecht werden zu können“.
Die Bundesregierung unternimmt derweil einen erneuten Anlauf, die drei Maghreb-Staaten Tunesien, Algerien und Marokko als sichere Herkunftsländer einzustufen. Bei der Sitzung des Bundeskabinetts am Mittwoch soll zudem Georgien auf die Liste gesetzt werden.