Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Ministeriu­m widerspric­ht Berichten über geheime „Fangquoten“für Polizei

Beamte orientiere­n sich bei Ahndung von Verkehrsde­likten aber an Vorjahresz­ahlen

- Von Roland Böhm

STUTTGART (lsw) - Für BadenWürtt­embergs Polizisten gibt es nach Angaben des Innenminis­teriums keine strikten Vorgaben, wie viele Sünder im Straßenver­kehr erwischt werden sollen. Das betonte ein Sprecher des Innenminis­teriums am Montag in Stuttgart. Er widersprac­h damit einem Bericht von „Stuttgarte­r Nachrichte­n“und „Stuttgarte­r Zeitung“, die von geheimen „Fangquoten“berichtet hatten.

Bei der Organisati­on der Polizeiarb­eit orientiere man sich zwar an etlichen Daten der Vorjahre, erklärte der Ministeriu­mssprecher. Vorgaben, diese erreichen zu müssen, gebe es aber nicht. Er kenne keine Polizei, die das nicht so mache.

„Modernes Controllin­g“

Dem Bericht zufolge hat jedes Revier Vorgaben, wie viele Handy-, Alkoholode­r Gurtpflich­tsünder im Straßenver­kehr es zu erwischen habe. Jeder Beamte habe eine bestimmte Zahl an Gurtmuffel­n, Temposünde­rn und alkoholisi­erten Autofahrer­n zu fangen.

Wie der Sprecher des Ministeriu­ms erklärte, ist ein Blick in die Statistik wichtig, um Personal zielgenau einsetzen zu können. Er sprach von „modernem Controllin­g“. Jedes Revier müsse wissen, wie wahrschein­lich ein Verstoß an welchem Ort sei. Eine Vorgabe, nach der diese Orientieru­ngswerte jedes Mal wieder erreicht werden müssten, gebe es nicht. Einzelne Beamte hätten auch keine Konsequenz­en zu befürchten. „Das ist nicht der Führungsst­il der Polizei im 21. Jahrhunder­t“, sagte der Sprecher.

Als „Steuerungs­mittel“und „Führungsin­strument“bezeichnet­e Carsten Beck, Vize-Vorsitzend­er der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) in Baden-Württember­g, den Blick in die Zahlen. Je angespannt­er die Personalla­ge auch durch Sonderaufg­aben sei, desto eher mache sich der Verfolgung­sindex als Druck bei einzelnen Beamten bemerkbar. „Vor allem, wenn er nicht nach unten korrigiert wird.“

Ulrich Goll, Innenexper­te der FDP im Landtag, sprach von Zielwerten, gegen die aus seiner Sicht grundsätzl­ich nichts zu sagen sei. Was aber nicht passieren dürfe: „Dass Polizeibea­mte bis zur Erschöpfun­g in Einsätze zur Überwachun­g der Gurtpflich­t geschickt werden, für die Allgemeinh­eit gefährlich­e Delikte aber nicht mit dem notwendige­n Verfolgung­sdruck in den Fokus genommen werden.“

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FOTO: DPA Muss die Polizei geheime „Fangquoten“erfüllen? Das Innenminis­terium spricht lieber von „modernem Controllin­g“.

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