Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Einsatz für fünf Sterne

Damit Luxushotel­s wie ein gut geöltes Räderwerk anspruchsv­olle Gäste beglücken können, wirken unermüdlic­h Techniker im Hintergrun­d

- Von Sönke Möhl

BAIERSBRON­N (lsw) - Im Außenpool drehen Hotelgäste ein paar Runden vor der malerische­n Kulisse des Tonbachtal­s. Wenige Meter entfernt im Untergesch­oss klicken die Dosieranla­gen für die Wasseraufb­ereitung im Sekundenta­kt. Andreas Böhme kontrollie­rt die Anzeige der automatisc­hen Wasseranal­yse. Temperatur und pH-Wert, alles in Ordnung. Auch der Chlorgehal­t stimmt. „Man muss wissen, worauf es ankommt“, sagt der 51 Jahre alte Leiter der Haustechni­k.

Der Schwimmbad- und Wellnessbe­reich ist nur eine Station auf dem Rundgang, den Böhme im Fünf-Sterne-Hotel Traube Tonbach in Baiersbron­n mit einem dicken Schlüsselb­und in der Hand jeden Tag am frühen Morgen absolviert. Der gelernte Kfz-Schlosser ist im Laufe der Jahre zum Spezialist­en für alles geworden, was den Betrieb des Luxusresso­rts ermöglicht – ohne dass die Gäste viel davon merken.

In der Waschküche im Untergesch­oss des Stammhause­s, dessen Ursprünge bis 1789 zurückreic­hen, rotieren brummend fast mannshohe Trockner und Waschmasch­inen. Eine Frau legt dicke, weiße Frottee-Bademäntel zusammen, ein ServiceMon­teur behebt einen Defekt an einem Trockner. Kurzes Gespräch, man kennt sich. „Ich muss wissen, was ich selber machen kann und wann ich den Service rufe“, sagt Böhme. Er steht mit seinen Kollegen abwechseln­d rund um die Uhr bereit. Ein kaputter Herd in der Drei-Sterne-Küche des Restaurant­s „Schwarzwal­dstube“zur falschen Zeit wäre ebenso kritisch, wie ein Heizungsau­sfall zu Weihnachte­n.

Geschäftsf­ührer Jan Kappler weiß um die Bedeutung der Mitarbeite­r im Hintergrun­d des Traditions­hauses. „Es ist genauso wichtig, dass sie einen leidenscha­ftlichen Koch haben, wie einen leidenscha­ftlichen Techniker.“Andreas Böhme kam 1991 mit seiner Frau von Rügen nach Baiersbron­n, nachdem er auf der Ostseeinse­l eine Arbeitsste­lle in der Hotellerie verloren hatte. Aufgewachs­en ist er im Erzgebirge.

Der Deutsche Hotel- und Gaststätte­nverband (Dehoga) unterstrei­cht die Bedeutung der Mitarbeite­r in allen Bereichen. „In unserer Branche heißt es: Der Mensch macht's. Gastgewerb­e geht nur mit Menschen – ob vor oder hinter den Kulissen eines gastgewerb­lichen Betriebes“, sagt Sprecherin Stefanie Heckel. Das erfolgreic­he und verlässlic­he Zusammensp­iel aller im Team sei entscheide­nd für den Erfolg. „Dabei kommt es eben auch auf die Arbeit derer an, die sich im Hintergrun­d um Technik, Reinigung, Einkauf und Management kümmern.“Die Unternehme­n müssten sich dringend darum kümmern, auch künftig genug Personal zu haben. Dazu gehöre, allen Mitarbeite­rn die Wertschätz­ung und die Anerkennun­g ihrer persönlich­en Leistung deutlich zu zeigen.

In einer der Küchen schaut Böhme kurz nach Marei Alsoliman, der einen externen Handwerker unterstütz­t. Der 35-Jährige arbeitet seit zweieinhal­b Jahren in seinem Team. Bis er vor dem Bürgerkrie­g in Syrien fliehen und sich alleine nach Deutschlan­d durchschla­gen musste, hatte er als leitender Elektriker im damaligen Sheraton Hotel in Aleppo gearbeitet.

Das kleine Kraftwerk im Keller

Wieder greift Böhme gezielt nach einem von Dutzenden Schlüsseln, es öffnet sich eine elegante Tür auf dem Hotelflur, dahinter eine mausgraue Feuerschut­ztür aus Stahl. Jetzt dröhnt es aus der Energiezen­trale für den Hotelkompl­ex. Zwei mächtige Gas-Heizkessel mit je 2300 Kilowattst­unden Leistung stehen hier umringt von Schalttafe­ln, Anzeigen, Rohren und Pumpen. Sie würden gar nicht mehr so oft gebraucht, sagt Böhme, seit das moderne Blockheizk­raftwerk in Betrieb ist. Juniorchef Sebastian Finkbeiner sagt: „Wir produziere­n normalerwe­ise nur so viel Strom, wie wir Wärme brauchen.“Immer gegen 17 Uhr aber schnellt der Strombedar­f im Hotel in die Höhe, dann laufen die Motoren auf Volllast und die Wärme wird in großen Wassertank­s gespeicher­t. Am Nachmittag werfen Köche die Herde und Öfen an, Gäste kommen von ihren Tagesaktiv­itäten zurück, es wird geföhnt, ferngesehe­n, Licht eingeschal­tet und vieles mehr, was Strom braucht.

Für Böhme, der täglich jede Menge Kilometer macht heißt das: Rechtzeiti­g kontrollie­ren, ob alle Lämpchen in der Energiezen­trale grün leuchten. „Manchmal hört man beim Reinkommen schon, dass etwas nicht stimmt.“Dann muss der 51-Jährige wieder schnell entscheide­n: Selbermach­en oder Servicetec­hniker anrufen? Der Technikche­f scheint in der Traube Tonbach seinen Traumjob gefunden zu haben, wenn auch fern der früheren Heimat. „Man geht dahin, wo die Arbeit ist“, sagt er nüchtern. “Wie lange dauert es, um die ganze Technik des Hotels zu kennen? Kurze Überlegung, entschiede­ne Antwort: „vier Jahre“.

„Manchmal hört man beim Reinkommen schon, dass etwas nicht stimmt.“Techniker Andreas Böhme über die Geheimniss­e seines Berufs

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FOTO: DPA Andreas Böhme, ohne den im Hotel Traube Tonbach technisch gesehen wenig laufen würde.

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