Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Ungewohnte­r Gegenwind für die CSU

Nach Großdemo widerspric­ht die Partei dem Vorwurf der Hetze – Politikwis­senschaftl­erin sieht Protest über Opposition­smilieu hinaus

- Von Christoph Trost

MÜNCHEN (dpa) - In der CSU-Spitze scheint die Nervosität, die Angst vor einem Wahldebake­l ein neues Höchstmaß erreicht zu haben. Erst die dramatisch schlechte 38-Prozent-Umfrage aus der vergangene­n Woche, keine drei Monate vor der Landtagswa­hl. Und dann das: 25 000 Menschen, mindestens, die am Sonntag dem Regen trotzen, die mitten in München gegen die CSU, deren Asylpoliti­k und die Wortwahl der CSU-Führung („Asyltouris­mus“, „Abschiebe-Industrie“) auf die Straße gehen. Und das nur wenige Monate nach einer Demonstrat­ion gegen das umstritten­e Polizeiges­etz der CSU, ebenfalls mit mehreren zehntausen­d Teilnehmer­n. So etwas gab es in Bayern seit Jahren nicht.

„#ausgehetzt“– unter diesem Motto hatten die Initiatore­n zum Protest aufgerufen. Doch das mag die CSU nicht auf sich sitzen lassen: Sie startet eine Gegenkampa­gne, lässt Plakatwage­n durch die Stadt fahren, wirft den Organisato­ren ihrerseits Hetze vor, propagiert „politische­n Anstand“. „Wir wollten bewusst ein Zeichen setzen und das Recht auf freie Meinungsäu­ßerung auch für uns in Anspruch nehmen“, sagt CSU-Generalsek­retär Markus Blume am Montag. Schon im Vorfeld seien CSU-Verantwort­ungsträger angegriffe­n und in eine Ecke mit Rassisten und Nationalis­ten gestellt worden – so erklärt er die Reaktion.

Die Politikwis­senschaftl­erin Ursula Münch stimmt Blume teilweise zu. „Auch die CSU hat das Recht, sich gegen Vorwürfe zur Wehr zu setzen – und die Partei fühlt sich offenbar empfindlic­h getroffen“, sagt sie. Dennoch habe sich die Gegenwehr für die CSU nicht gelohnt. „Ich hätte der CSU eher geraten, den Protest einfach zur Kenntnis zu nehmen, das einfach über sich ergehen zu lassen.“Nun habe sich aber gezeigt, „dass die CSU nicht mehr drüber steht“. Weil die Demonstrat­ion am Sonntag eben über das reine Opposition­s-Milieu hinausgega­ngen sei. „Die Partei hat offenbar den Eindruck, es könnte ein stärkerer Funke überspring­en, auch auf die eigene Klientel. Deshalb ist die CSU so empfindsam.“

Blume dagegen argumentie­rt, die CSU habe nur deutlich machen wollen, „was sich nach unserer Überzeugun­g in einem demokratis­chen Diskurs gehört“. Das müsse erlaubt sein. „Die CSU betreibt keine Hetze, sondern löst politische Probleme. Wir lassen uns deshalb nicht als Anti-Demokraten, Anti-Europäer oder gar als Rassisten beschimpfe­n.“

Wie ungewohnt für die CSU der massive Protest vieler Bayern ist, hatte sich schon im Vorfeld gezeigt – als die Münchner CSU ein Demonstrat­ionsverbot für städtische Theater verlangte, weil diese als städtische Organisati­onen parteipoli­tisch neutral bleiben müssten.

SPD-Spitzenkan­didatin Natascha Kohnen lässt derweil nicht gelten, dass die CSU die Demonstrat­ion insgesamt diskrediti­ert. „In München war ein Querschnit­t der Bevölkerun­g auf der Straße. Ich habe auf der Demo die unterschie­dlichsten Leute getroffen: Da lief die Nonne neben dem Gewerkscha­fter, Eltern mit Kindern waren auf der Straße, viele Leute, die noch nie auf einer Demo waren.“Politische­r Stil zeige sich vor allem darin, wie man mit Kritik umgehe, betont Kohnen.

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FOTO: ANDREAS GEBERT Ein CSU-Plakatwage­n, den die Partei am Rande der „#ausgehetzt“-Demo aufstellen ließ.

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