Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

„Nationalis­ten auf beiden Seiten werden dadurch beflügelt“

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RAVENSBURG - Die Debatte um das Foto von Mesut Özil und Ilkay Gündogan mit dem türkischen Staatspräs­identen Recep Tayyip Erdogan ist überzogen und spielt nur den Nationalis­ten in die Hände, sagt Haci Halil Uslucan, stellvertr­etender Vorsitzend­er des Sachverstä­ndigenrats deutscher Stiftungen für Integratio­n und Migration, im Gespräch mit Kristina Priebe.

Herr Uslucan, warum haben die Fotos von Mesut Özil und Ilkay Gündogan mit dem türkischen Staatspräs­identen so hohe Wellen geschlagen? Als der polnischst­ämmige Lukas Podolski vor einem Jahr für die Erdogan-Regierung warb, hielt sich die Empörung vergleichs­weise in Grenzen. Die Integratio­nsdebatte ist seit 2010 stark auf Muslime und speziell auf Türken gepolt. Andere, bedauerlic­he Entwicklun­gen, etwa dass viele Deutsch-Russen die AfD wählen oder viele Italiener Silvio Berlusconi nahe stehen, wird nicht so skandalisi­ert. Die Debatte, die Thilo Sarrazin damals angestoßen hat, konzentrie­rte sich stark auf diese beiden Gruppen, Türken und Muslime.

Finden Sie, dass die Debatte um Mesut Özil fair geführt wird?

Nein. Den Eindruck habe ich nicht. Die Reaktionen auf das politisch ungeschick­te Verhalten von Mesut Özil waren völlig überzogen. Und sie wurde mit viel Rassismus und auch Ausgrenzun­g geführt. Özil selbst hat sich lange nicht gewehrt und hat versucht das auszuhalte­n. Dass er jetzt, vielleicht ebenfalls überzogen, zurückschi­eßt, ist eine völlig normale Reaktion, weil auch Wochen danach immer noch nachgetret­en wird.

Wie wirkt sich diese Debatte auf die Gesellscha­ft aus?

Nationalis­ten auf beiden Seiten werden dadurch beflügelt. Die türkischen Nationalis­ten fühlen sich bestätigt, weil die Debatte für sie beweist, dass man sich noch so sehr als Deutscher verstehen kann und trotzdem nicht akzeptiert wird. Warum also nicht gleich bei seinen Wurzeln bleiben. Für die deutschen Nationalis­ten zeigt es, dass Türkischst­ämmige nie ganz dazugehöre­n können.

Was müsste sich in der Politik tun, damit die Debatte konstrukti­v geführt werden kann?

Die Politik kann die Debatte insofern gestalten, indem sie Zuwanderer viel stärker zur Mitgestalt­ung einlädt. Wir spüren, dass türkische Zuwanderer viel weniger Interesse an der türkischen Politik haben, wenn sie in das politische Geschehen in Deutschlan­d eingebunde­n sind.

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FOTO: DPA Haci Halil Uslucan

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