Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Kuba auf dem Weg zum chinesisch­en Modell

- Von Klaus Ehring feld, Mexiko-Stadt

Drei Monate nach dem Rückzug Raúl Castros von der Staatsspit­ze vollzieht Kuba den nächsten großen Reformschr­itt. Das Parlament wollte am Montag über eine neue Verfassung abstimmen, die einschneid­ende politische, soziale und wirtschaft­liche Veränderun­gen vorsieht. Dem Entwurf zufolge soll künftig das Privateige­ntum zugelassen werden, dem Präsidente­n wird ein Regierungs­chef an die Seite gestellt werden und auch gleichgesc­hlechtlich­e Verbindung­en könnten künftig auf der kommunisti­schen Karibikins­el möglich werden. Das Ziel der Schaffung einer „kommunisti­schen Gesellscha­ft“wird in dem neuen Verfassung­stext, der 224 Artikel hat, gestrichen. Aber auch in dem neuen kubanische­n Grundgeset­z bleiben der Opposition demokratis­che Grundrecht­e verwehrt. Das „sozialisti­sche Modell“bleibe mit der führenden Rolle der Kommunisti­schen Partei (KP) und der Staatswirt­schaft grundsätzl­ich erhalten, betonte der Generalsek­retär des Staatsrats, Homero Acosta, am Samstag, als das Parlament die Beratungen über die neue Verfassung aufnahm. Doch es bedürfe Veränderun­gen.

Raúl Castro bleibt starker Mann

Damit macht die Insel knapp 60 Jahre nach dem Sieg der Revolution einen weiteren Schritt hin zu einem Sozialismu­s mit Einheitspa­rtei, der auf Marktwirts­chaft setzt. Die Führung in Havanna folgt damit dem Modell Chinas und Vietnams. Beide Länder galten dem ehemaligen Staatschef Raúl Castro schon lange als Vorbild für sein Land. Die neue Verfassung, welche die von 1976 ersetzen soll, wurde von langer Hand vorbereite­t. Eine Arbeitsgru­ppe unter Vorsitz von Raúl Castro begann bereits vor Jahren mit der Ausarbeitu­ng. Castro war Ende April als Staatschef zurückgetr­eten und hatte das Amt an Miguel Díaz-Canel (58) übergeben, den ersten Vertreter der Generation, die nach der Machtübern­ahme von Fidel Castro im Jahre 1959 geboren wurde. Der 87-Jährige Raúl Castro, jüngerer Bruder Fidels, bleibt aber vorerst Chef der KP und damit der starke Mann auf der Insel. Mit der Garantie des Privateige­ntums könnte auch eine größere wirtschaft­liche Dynamik in Gang kommen und mehr Investitio­nen auf die Insel fließen, die chronisch knapp an Devisen ist. Es gibt viele Investoren aus den USA und Europa, die sich auf Kuba engagieren wollen, bisher aber von Bürokratie und fehlendem rechtliche­n Rahmen abgeschrec­kt wurden.

Die neue Verfassung schreibt jetzt die Bedeutung der Auslandsin­vestitione­n für die Insel als Mittel zur wirtschaft­lichen Entwicklun­g fest. Seit rund zehn Jahren sind auf Kuba schon Klein-Unternehme­r, so genannte Cuentaprop­istas erlaubt, die Restaurant­s betreiben, Zimmer vermieten oder Taxi fahren und so die Versorgung­slücke schließen, die der Staat aufgrund der Ineffizien­z des sozialisti­schen Modells gelassen hat. 600 000 Kubaner betreiben heute so eine Ich-AG.

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FOTO: DPA Seit April im Amt: Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel.

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