Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Präsident mit Ecken und Kanten

Mit Peter Kulitz verlässt ein politisch denkender und handelnder Präsident die IHK Ulm

- Von Ludger Möllers

ULM - Der Ulmer IHK-Präsident Peter Kulitz (66) verabschie­det sich am heutigen Dienstag von der Spitze der Industrie- und Handelskam­mer in der Donaustadt: Nach 15 Jahren an der Spitze der Kammer war eine Wiederwahl nicht möglich. Einziger Kandidat für die Nachfolge Kulitz’ ist Jan Stefan Roell (63), Vorstandsm­itglied des Arbeitgebe­rverbandes Südwestmet­all und Vorstandsv­orsitzende­r der Zwick Roell AG in Ulm.

Mit Kulitz, der von 2010 bis 2016 auch Chef von Baden-Württember­gs Industrie- und Handelskam­mertag (BWIHK) war, verlässt ein ausgesproc­hen politisch denkender und handelnder Kammerfunk­tionär die Bühne: „USA werden weiter auf Freihandel setzen“, „Rasch Netzwerk für Digitalisi­erung schaffen“, „Wirtschaft fordert weitere Nachbesser­ungen bei Erbschafts­steuer“: So lauten nur einige Titelzeile­n von Beiträgen der vergangene­n Jahre, in denen Kulitz sich äußerte. Viel Ärger handelte er sich ein, als er an der Fassade der Ulmer Industrie- und Handelskam­mer ein Plakat mit Werbung für das umstritten­e Bahnprojek­t „Stuttgart 21“aufhängen ließ: „Allerhöchs­te Eisenbahn“. Auf Druck der S-21Gegner musste das Plakat schließlic­h entfernt werden.

Kämpfer für Südwest-Wirtschaft

„Ich war schon immer ein sehr politische­r Mensch“, betont Kulitz. Den Einfluss auf die Politik hält er für sehr wichtig und lässt dafür selten Gelegenhei­ten verstreich­en. „Ich möchte einfach kundtun, wo wir unsere Schwerpunk­te legen, der Wirtschaft eine Stimme geben.“Im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“ sagte er: „Die IHK ist das wirtschaft­spolitisch­e Sprachrohr der regionalen Wirtschaft. Diese Funktion ist in konjunktur­ell guten Zeiten besonders wichtig, in denen politische Fehlentwic­klungen erfahrungs­gemäß eher in Gang gesetzt werden als in Krisenzeit­en.“Er könne nur davor warnen, aus dem jahrelange­n Aufschwung die Schlussfol­gerung zu ziehen, dass die Politik für die Wirtschaft von untergeord­neter Bedeutung sei. „Wenn wir gute Rahmenbedi­ngungen erhalten und für die Zukunft noch ausbauen wollen, müssen wir heute als Wirtschaft unsere Sichtweise und Expertise in den politische­n Diskurs einbringen.“

Der Sohn eines Familienun­ternehmers kam 1952 im bayerische­n Mindelheim auf die Welt und erlernte erst den Beruf des Rechtsanwa­lts. Seine Kanzlei, in der er bis heute tätig ist, fusioniert­e 2016 mit einer befreundet­en Ulmer Kanzlei. Er betreut in dieser Funktion Unternehme­n in Aufsichtsr­äten und Beiräten. Mitte der 1980er-Jahre stieg er in das Unternehme­n seines Vaters Günter ein: seit 1997 ist er geschäftsf­ührender Gesellscha­fter der Esta Apparateba­u in Senden (Bayern). Seit 2003 war er Ulmer IHK-Chef. Bei all den Aufgaben spendet ihm vor allem sein „intaktes Familienle­ben“Kraft.

Kulitz ist ein marktliber­aler Industriev­ertreter, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Stets warnt er vor überzogene­n politische­n Eingriffen und Bürokratie­lasten als Bürde für den Standort Baden-Württember­g. Charakteri­stisch war seine Dankesrede, nachdem ihm der damalige Wirtschaft­sminister Nils Schmid (SPD) 2016 das Bundesverd­ienstkreuz für seine „herausrage­nden Verdienste um die baden-württember­gische Wirtschaft und Gesellscha­ft“ überreicht hatte. Kulitz sei ein leidenscha­ftlicher Kämpfer für den Standort Baden-Württember­g und gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt, sagte Schmid. Kulitz zeigte sich damals erfreut über die Auszeichnu­ng – und kam dann zur Sache: Er wertete sie auch als generellen Appell an alle Bürger zu noch mehr gesellscha­ftlichem Engagement, etwa zur Flüchtling­sbetreuung. Der Manager hatte früh auf deren Fachkräfte­potenzial hingewiese­n. Trotz aller Schwierigk­eiten dürfe man nicht nachlassen bei der Integratio­n der Flüchtling­e, auch von kulturelle­n Differenze­n dürfe man sich nicht entmutigen lassen. Aber: Er forderte vehement die Aussetzung des Mindestloh­ns für Flüchtling­e.

In der Wirtschaft­sregion Ulm setzte Kulitz manchen Akzent. Zum Beispiel: Um das Land vor allem für ausländisc­he Fachkräfte attraktive­r zu machen, gründete der fünffache Vater die englischsp­rachige Internatio­nale Schule Ulm. „Ich bin einer, der einfach gerne etwas anzettelt“, sagt Kulitz. Für die eigene Zukunft wünscht er sich, „dass es mir vergönnt ist, gesundheit­lich und insgesamt so fit zu bleiben, dass man das eine oder andere noch bewirken und anschieben kann“.

Ganz aufgeben mag Kulitz seine Verbandstä­tigkeit nicht: „Seit 2017 bin ich Vorsitzend­er des Außenwirts­chaftsauss­chusses des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertages und bin ehrenamtli­ch für 140 deutsche Außenhande­lskammern und Delegierte­nbüros in 96 Ländern zuständig. Da kommt schon per se keine Langeweile auf.“Der Terminkale­nder sei voll – und auch die Visitenkar­ten, die Kulitz verteilt, vermelden das neue Amt.

 ?? FOTO: ALEXANDER KAYA ?? Sohn eines Familienun­ternehmers: Mitte der 1980er-Jahre stieg Peter Kulitz in das Unternehme­n seines Vaters Günter ein.
FOTO: ALEXANDER KAYA Sohn eines Familienun­ternehmers: Mitte der 1980er-Jahre stieg Peter Kulitz in das Unternehme­n seines Vaters Günter ein.
 ?? FOTO: DPA ?? Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und Peter Kulitz im Jahr 2009 in Ulm.
FOTO: DPA Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und Peter Kulitz im Jahr 2009 in Ulm.

Newspapers in German

Newspapers from Germany