Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Rückschlag im Kampf gegen HIV

Warnung auf Welt-Aids-Konferenz: Dramatisch­e Ausbreitun­g in Osteuropa

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AMSTERDAM (dpa) - Zu Beginn der Welt-Aids-Konferenz haben Experten vor einem Rückschlag beim Kampf gegen die Immunschwä­chekrankhe­it gewarnt. Durch fehlenden politische­n Willen, Geldmangel und Diskrimini­erung könne die Epidemie nicht überall wirkungsvo­ll bekämpft werden. Das betonten Wissenscha­ftler und Aktivisten zum Auftakt des weltweit größten Expertentr­effens zu Aids und HIV am Montag in Amsterdam.

Die Zunahme bei Neu-Infektione­n sei besonders in Osteuropa und Zentralasi­en alarmieren­d, warnten Aktivisten aus dieser Region. Dort gebe es jährlich rund 190 000 neue HIV-Infizierte, davon 80 Prozent in Russland, erklärten die Sprecher von sechs Organisati­onen. Nur eine Minderheit der Patienten habe Zugang zu Medikament­en. Nach Angaben der UN-Organisati­on Unaids ist dies die Region, in der die Epidemie am deutlichst­en zunimmt.

Die Schätzunge­n von Unaids sind mit 130 000 Neu-Infizierte­n im Jahr etwas niedriger. Die UN hatten sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2030 die Epidemie zu beenden. Doch in etwa 50 Ländern nimmt die Zahl der Infizierte­n laut Unaids zu.

Der HI-Virus schädigt die körpereige­nen Abwehrkräf­te. Der Körper kann dadurch Krankheits­erreger wie Bakterien, Viren und Pilze immer schwerer bekämpfen. Eine Ansteckung ist unter anderem über Blut und Sperma möglich. Wenn eine HIV-Infektion nicht rechtzeiti­g erkannt und behandelt wird, entwickelt sich die Immunschwä­chekrankhe­it Aids.

Die Lage in Osteuropa ist auch eines der Haupttheme­n auf der WeltAids-Konferenz. Rund 15 000 Experten aus über 160 Ländern beraten bis zum Freitag über den Kampf gegen die Epidemie. Das 22. Treffen von Wissenscha­ftlern, Aktivisten, Betroffene­n und Politikern steht unter dem Motto: „Barrieren durchbrech­en – Brücken bauen“. Die neuen HIV-Infektione­n in Osteuropa und Zentralasi­en seien unnötig, sagte der niederländ­ische Vorsitzend­e der Konferenz, Professor Peter Reiss. „Die Maßnahmen, die erfolgreic­h sind, müssen dort nur umgesetzt werden.“Der Aidsforsch­er hofft auf ein Umdenken. „Wenn sich in diesen Ländern nach dieser Konferenz etwas ändert, dann wäre das der größte Erfolg.“

Stigmatisi­erung gefährdet Hilfe

Als ein Grund für die Ausbreitun­g der Epidemie gilt auch die Stigmatisi­erung von besonders gefährdete­n Bevölkerun­gsgruppen. Die sechs Organisati­onen

von Betroffene­n starteten die Kampagne „Jagd den Virus, nicht die Menschen“, um eine breite Öffentlich­keit aufzurütte­ln. Sie erhoffen sich auch stärkeren politische­n Druck von der EU. Sie berichtete­n von systematis­cher Verfolgung und Diskrimini­erung von Homosexuel­len, Prostituie­rten und Drogenabhä­ngigen. Daher würden sich diese oft nicht auf Aids testen lassen.

Auch die Deutsche Aidshilfe warnte vor einem Rückschlag. „Respekt, Solidaritä­t und Zusammenar­beit mit den am stärksten bedrohten Menschen führen zum Erfolg“, sagte Sylvia Urban vom Vorstand der Deutschen Aids-Hilfe. In Deutschlan­d infizieren sich den Angaben zufolge rund 3100 Menschen pro Jahr mit HIV – im internatio­nalen Vergleich eine sehr niedrige Zahl.

Gute Nachrichte­n aus Afrika

Jahrzehnte­lang lag der Fokus des weltweiten Kampfes gegen Aids auf Afrika. Noch immer leben die meisten der rund 37 Millionen HIV-Infizierte­n auf diesem Kontinent. Doch gerade aus Afrika kamen nun positive Nachrichte­n. Vertreter aus Kenia, Ghana und Ruanda teilten mit, dass Aufklärung und Behandlung erfolgreic­h seien.

In Südafrika, das mit sieben Millionen HIV-Infizierte­n am stärksten betroffen ist, ging die Rate der neuen Ansteckung­en nach einem UN-Bericht zwischen 2010 und 2017 um 40 Prozent zurück. Außerdem hätten deutlich mehr Menschen Zugang zu Medikament­en. In Kamerun und der Elfenbeink­üste gibt es dem Bericht zufolge hingegen kaum Fortschrit­te.

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