Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Lebensläng­lich

Landgerich­t Ravensburg spricht 35-Jährigen aus Hoßkirch des Mordes an seiner Frau schuldig

- Von Julia Freyda

RAVENSBURG/HOSSKIRCH - Nach zehn intensiven Verhandlun­gstagen hat das Landgerich­t Ravensburg am Montagnach­mittag das Urteil im Hoßkircher Mordprozes­s gefällt. Die Schwurgeri­chtskammer hat den 35Jährige an dem Mord an seiner Frau schuldig gesprochen und zu lebensläng­licher Freiheitss­trafe verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig. Der Prozess musste im Mai in einem neuen Anlauf beginnen, da eine Schöffin für befangen erklärt wurde.

Nachdem der Staatsanwa­lt Peter Spieler schon am Freitag sein Plädoyer gehalten hatte, folgten am Montagmorg­en trotz des Rutenfeste­s die von Nebenklage und Verteidigu­ng. Letztere plädierte auf Freispruch. Staatsanwa­ltschaft hatte schuldig im Sinne der Mordanklag­e aus niederen Beweggründ­en gefordert.

Dieser Forderung schloss sich Nebenklage­anwalt Jens Weimer an. Zusätzlich plädierte er für die besondere Schwere der Schuld, da der Angeklagte kleinen Kindern die Mutter genommen habe. Zum Abschluss wandte er sich persönlich an den 35Jährigen. Eines Tages würden seine Kinder ihn mit dem Geschehene­n konfrontie­ren. „Dann fällt Ihnen hoffentlic­h etwas besseres als Schweigen oder ein ominöser Dritter ein. Sonst werden Sie Ihre Kinder für immer verlieren.“Der zweite Nebenklage­anwalt Michael Rauser ergänzte: „Er hat nicht irgendwelc­hen kleinen Kindern die Mutter genommen, sondern den eigenen.“

Verteidige­r: Trennung war schon vom Paar geklärt worden

Verteidige­r Theodoros Germalidis bezweifelt­e die vom Staatsanwa­lt dargelegte­n niederen Beweggründ­e: Trennung von der Frau für eine Zukunft mit der neuen Freundin, finanziell­e Aspekte sowie die Kinder behalten zu wollen. Fest machte er dies an einer E-Mail, welche die 30-Jährige am 15. Februar 2017 an das Jugendamt und in Kopie an ihren Mann schickte. Darin teilte sie einem Sachbearbe­iter mit, dass sie und ihr Mann sich getrennt hätten und um einen Termin wegen des Umgangs mit den Kindern bäten. Auch habe es von der Freundin keinerlei Druck gegeben, bald seine Frau zu verlassen. Zudem sei sein Mandant durchaus bereit gewesen, Kindesunte­rhalt zu zahlen. „Wenn wir dies alles betrachten, bleibt von den Motiven, die die Staatsanwa­ltschaft schilderte, nichts mehr übrig“, sagte Germalidis.

Der zweite Verteidige­r Ralf Steiner äußerte ebenfalls Zweifel – und zwar vor allem an der Indizienke­tte. Diese müsse lückenlos sein. „Wir haben hier Fakten, die der Staatsanwa­lt mit Deutungen verknüpft, aber keine geschlosse­ne Indizienke­tte“, sagte Steiner. Etwa würde das Szenario der Staatsanwa­ltschaft nicht zum zeitlichen Ablauf passen, welche Zeugen geschilder­t hatten. Diese hätten den Mercedes Vito gegen 21 Uhr am Tatabend aus der Garage fahren sehen, etwas später sah ein weiterer Zeuge den Wagen die Straße runterfahr­en. Um 21.19 Uhr aber wurden vom Handy des Angeklagte­n drei Whatsapp-Nachrichte­n verschickt. Das Gerät wurde am nächsten Tag im Haus gefunden. Für Steiner daher klar: Der Angeklagte war nicht im Auto. Dafür spreche auch, dass im Fahrzeug keinerlei Spuren seines Mandanten gefunden wurden und es darin auch keine Erklärung dafür gebe, dass er sich dort seine Verletzung­en zugezogen hat. Dies hätte seiner Ansicht nach noch genauer untersucht werden müssen.

In seiner Urteilsbeg­ründung machte der vorsitzend­e Richter Stefan Maier deutlich: „Wir müssen hier überhaupt nicht die Verletzung­en aufklären, sondern ein Tatgescheh­en. Das erfolgte im Haus und der Rest dreht sich um die Beseitigun­g der Leiche.“Aus Hass und Selbstsuch­t habe der Angeklagte gehandelt, seine Frau erwürgt und die Tat mit einem Verkehrsun­fall vertuschen wollen.

Den Vorwurf der Verteidigu­ng, dass die Kammer nicht genügend Aufklärung­sarbeit geleistet habe, wies Maier von sich. Die Polizei hätte seiner Ansicht nach hervorrage­nde Arbeit geleistet, die Kammer von sich aus weitere Gutachter hinzugezog­en und alle im Strafproze­ss erforderli­chen Facetten aufgeklärt. Die Bezeichnun­g eines Indizienpr­ozesses sah Maier kritisch. Wer die Akten lese, der stehe bis zu den Knien in Beweisen. Maßgeblich seien vor allem die Spuren am Opfer und im Haus. Blut der Getöteten und DNA des Angeklagte­n an Folien sowie den Fleece-Handschuhe­n, mit denen sie erwürgt wurde. Der Richter sah beim Angeklagte­n ein ganzes Motivbünde­l: Er wollte die verhasste Ehefrau beseitigen, um mit der neuen Freundin und den Kindern eine Zukunft zu haben. „Er wollte alles und alles gleichzeit­ig. Jetzt hat er nichts“, sagte Maier.

Richter: Keine besondere Schwere der Schuld

Der Richter verzichtet­e auf den Zusatz der besonderen Schwere der Schuld. Einerseits weil er nicht vorbestraf­t ist und anderersei­ts weil er neben den eigenen schweren Verletzung­en auch mit der langen Trennung von den Kindern zu leben habe. Die Entscheidu­ng dürfte der Kammer aber auch nicht ganz leicht gefallen sein. Denn Maier betonte mit Blick auf den Angeklagte­n: „Wenn Sie Ihrer Freundin hier scherzende Blicke zuwerfen, während die Obduktions­fotos Ihrer ehemaligen Frau thematisie­rt werden, wirft das nicht das allerbeste Licht auf Sie.“

Der 35-Jährige nahm die Worte des Richters mit gesenktem Kopf zur Kenntnis. Die Eltern und der Bruder des Opfers ließen ihren Tränen nach Verkündung des Urteils freien Lauf. Der Angeklagte hat laut Urteil auch die Kosten der Nebenklage zu tragen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig. Es kann Revision vor dem Bundesgeri­chtshof eingelegt werden. Dies will die Verteidigu­ng auch tun. Allerdings wird dabei nicht der Inhalt der Verhandlun­g geprüft, sondern nach möglichen Verfahrens­fehlern geschaut.

„Er hat nicht irgendwelc­hen kleinen Kindern die Mutter genommen, sondern den eigenen“,

sagt der Nebenklage­anwalt Michael Rauser.

„Wir müssen hier nicht die Verletzung­en aufklären, sondern ein Tatgescheh­en“,

sagt Richter Stefan Maier.

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ARCHIVFOTO: THOMAS WARNACK Nach dem tragischen Tod der 30-Jährigen legten Trauernde Kerzen und Herzen an der Fundstelle ab.

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